"Das Gespräch mit der Politik suchen"
Autor: Karl-Heinz Hofmann
Kronach, Montag, 07. Sept. 2015
70 Jahre BBV, Bauerntag und Tag der offenen Tür brachten auch offene Worte und Forderungen der Landwirte an die Öffentlichkeit. Und Mahnungen an die Bauern, nicht unbedingt am Samstagnachmittag Gülle ausfahren.
Preismisere und Trockenheit rufen einen Zehn-Punkte Forderungskatalog auf den Plan. Hermann Greif, BBV-Präsident Oberfranken, sieht die Zeit reif, um von der Politik Handeln zu verlangen und ruft nach Hilfe. In den letzten Wochen hat sich für die bayerischen Bauern bei vielen Erzeugerpreisen ein absolut unbefriedigendes Niveau entwickelt. Das Russland-Embargo, das aus politischen Gründen und aufgrund der Ukrainekrise verhängt worden war, trage insbesondere bei Milch, Fleisch, Obst und Gemüse zu massiven Marktproblemen bei. Hinzu komme aber auch noch ein Wachstumseinbruch im Chinamarkt, was ebenfalls Einfluss auf die Absatzmisere und den Preisverfall vor allem bei Milch habe. "Es ist eben bei den globalen Märkten nicht mehr egal, ob in China ein Sack Reis umfällt oder nicht", machte Greif die Vernetzungen der Märkte mit Asien auch für landwirtschaftliche Erzeugnisse deutlich.
"Es ist unfair"
Aus Sicht der Bauern ist es unfair, dass sie mit den enormen wirtschaftlichen Folgewirkungen außenpolitischer Entscheidungen allein gelassen würden. Gleichzeitig untergrabe der deutsche Lebensmitteleinzelhandel (LEH) jegliche ökonomische Nachhaltigkeit für bäuerliche Familienbetriebe, indem die Discounter wie Aldi & Co.
Marktmacht zu noch mehr Preisdumping bei Lebensmittelangeboten wie bei Milch, Obst, Fleisch und Brotwaren missbrauchten: Die Bundesregierung müsse endlich helfen und wirksame Maßnahmen gegen die Marktmacht des deutschen LEH ergreifen, was der Sektorbericht des Bundeskartellamts bestätigt habe. Der Präsident meinte, es könne nicht angehen, dass 80 Prozent des Umsatzes von nur fünf LEH getätigt werden. Hinzu komme, dass in Bayern einige Regionen von Trockenheit und extremer Hitze betroffen seien und so der Aufwuchs und die Gesundheit der Pflanzen deutlich gelitten haben. Schwierigkeiten und erhebliche Schäden haben neben den Ackerbauern gerade auch Tierhaltungsbetriebe, denen bei Grünland, Ackerfutter und Mais zum Teil gravierende Futterknappheit drohe, wie beispielsweise im südlicheren Oberfranken oder in Mittelfranken, dagegen seien die Kronacher Bauern noch gut dran.
Ein weiteres Ärgernis für die Landwirte seien die Verunsicherungen der Verbraucher durch "unsachliche Diskussionen" und auch Reportagen im TV. Die Landwirtschaft werde über Einzelfälle so hingestellt, als seien Landwirte Tierschänder und skrupellose Ausnutzer von Tiererzeugnissen. Emissionsminderungspläne der Düngeverordnung, zur Bürokratie beim Mindestlohn, zur Anlagenverordnung, zur TA-Luft, zu Grundsatzfragen der Tierhaltung, die am Ende gerade bäuerliche Familienbetriebe zur Aufgabe der Landwirtschaft treiben, weil ihnen die wirtschaftliche Nachhaltigkeit genommen wird und sie die Auflagenflut nicht mehr leisten können, seien weitere Störfaktoren für einen vernünftigen landwirtschaftlichen Betriebsablauf.Konkret forderte der Oberfranken-Präsident im BBV, Hermann Greif, Entlastung bei den Sozialversicherungsbeiträgen, indem der Bundeszuschuss zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung um 100 Millionen Euro jeweils für drei Jahre erhöht werde müsse. Außerdem verlangte er die Sicherstellung der vollständigen Auszahlung der diesjährigen Betriebsprämie im Dezember 2015 durch Bund und Länder und: die Auszahlung der Ausgleichszulage und des Bayerischen Kulturlandschaftsprogramms im Oktober 2015 durch Bayern.
Die Bundesregierung solle sich in Brüssel dafür einsetzen, dass die mehr als 900 Millionen Euro Superabgabe - zum Beispiel als Hilfszahlung je Milchkuh - wieder direkt an die Milcherzeuger fließen.
Um unsachgemäßen Aussagen und Eindrücke über Bauernarbeit und Landwirtschaft entgegenzuwirken gebe es gute Aktionen der Landwirte, wie Kinder auf dem Bauernhof oder den Bauernhof als Klassenzimmer. Den Tag des offenen Hofes, das Erntedankfest oder den Bauerntag. Greiff: "Die Leute haben nicht mehr viel Bezug zur Landwirtschaft und wissen daher auch nicht, was Lebensmittel wirklich wert sind. 1945 musste die Versorgung mit Lebensmitteln erst wieder aufgebaut werden. 2015 ist man satt, es lebt die Diskussion um Tierhaltung und Grabenkämpfe bezüglich Ernährung. Umweltaspekte sind Teil der täglichen Arbeit, wie Sicherheit und Nahrungsqualität. 1945 ernährte ein Landwirt zehn Menschen. 2015 ernährt ein Landwirt 144 Personen. 1945 waren 3,75 Millionen Hektar an landwirtschaftlicher Fläche in Bayern zur Verfügung, heute 2015, sind es nur noch 3,15 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Fläche in Bayern", warnte Greif vor weiterer Flächenversiegelung.
"Rücksicht nehmen"
Die Landwirte im BBV-Kreisverband Kronach forderte er auf, das Gespräch mit der Politik zu suchen, sich ehrenamtlich in Politik und Vereinen zu engagieren, sonst würden wir aus der Gesellschaft ausgegrenzt, mahnte Greif.
Und er appellierte andererseits an Rücksichtnahme auf Anwohner im Ort. Man müsse nicht unbedingt am Samstagnachmittag Gülle ausfahren oder am Sonntag mit großem Schlepper mit hoher Geschwindigkeit durchs Dorf fahren. Durch Einhaltung einiger leichter Regeln könnten die Landwirte selbst zum besseren Image beitragen, legte er den Landwirten in der Region ans Herz.Kreisobmann Erwin Schwarz hatte die Jubelfeier, verbunden mit dem Bauerntag und dem Tag der offenen Tür in der Geschäftsstelle Kronach eröffnet. Er freute sich sehr als Festredner Präsident Hermann Greif begrüßen zu können, der an diesem Jubeltag der ja in ganz Bayern gefeiert wurde, sicher auch andernorts begehrt gewesen sei und Kronach die Zusage gegeben habe, das sei für uns eine Ehre, meinte Schwarz. Er konnte etliche Bürgermeister, Vertreter von Banken und der Kirchen beider Konfessionen sowie weitere Vertreter von verschiedenen Verbänden begrüßen. Schwarz nannte es weitsichtig und richtig, dass vor 70 Jahren der BBV als einheitliches Sprachrohr der Bauern gegründet wurde. In unserem Landkreis sei die Ernte trotz der Trockenheit noch einigermaßen zufrieden ausgefallen, er spricht von verhaltener Ernte und auch der Milchpreis ist bei uns noch relativ annehmbar. Der Kreisobmann appellierte auch an die Landwirte, über Hilfe zur Selbsthilfe nachzudenken. Eine kleine Ausstellung informierte über den Wandel der Landwirtschaft in den letzten sieben Jahrzehnten.