Druckartikel: Darum sehen Landwirte aus dem Kreis Kronach bei der Bevölkerung eine Doppelmoral

Darum sehen Landwirte aus dem Kreis Kronach bei der Bevölkerung eine Doppelmoral


Autor: Veronika Schadeck

Kronach, Montag, 04. März 2019

Bienen, Düngemittel oder schlechtes Image: Beim alljährlichen Besuch von Vertretern der Landwirte im Kreis Kronach in der FT-Redaktion kamen nicht nur Pressack und Käse, sondern auch einige ungemütliche Themen auf den Tisch.
Die Landwirte wünschen sich sich mehr Toleranz für ihren Berufsstand. Im Bild von links: FT-Redakteur Marco Meißner, Kreisobmann Erwin Schwarz, Tina Langenscheidt, Sachgebietsleiterin Ernährung im Amt für Landwirtschaft, sowie Behördenleiter Guido Winter. Foto: Marian Hamacher


Die Landwirtschaft steht zunehmend in der Kritik, zu wenig Rücksicht auf die Natur und Umwelt zu nehmen und sich zu wenig um das Tierwohl im Stall zu kümmern. Bei ihrem traditionellen Besuch am Rosenmontag sprachen unsere Redaktionsmitglieder mit Vertretern der Landwirte im Landkreis Kronach über die aktuelle Situation und über das "Volksbegehren zur Rettung der Artenvielfalt". Dabei wurde deutlich, dass sich die Landwirte zu unrecht an den Pranger gestellt fühlen. Sie wünschen sich mehr Toleranz seitens der Bevölkerung für ihre Branche.

Rund 700 landwirtschaftliche Betriebe gebe es im Landkreis, erklärte Guido Winter, der Behördenleiter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kulmbach. Etwa 70 Prozent davon würden im Nebenerwerb geführt. Der Anteil der Ökobetrieb liege bei 15 Prozent, Tendenz steigend.

Ein Ausweis für Düngemittel

Die Landwirte bearbeiten eine 17 600 Hektar große Nutzfläche, davon 45 Prozent als Grün- und 55 Prozent als Ackerfläche. Etwa neun Prozent der Ackerfläche werden für den Anbau von Silomais bewirtschaftet.

Die Landwirte, so der Kreisobmann Erwin Schwarz, würden sehr viel Natur- und Umweltschutz betreiben. In diesem Zusammenhang sprach er von einer vielfältigen Fruchtfolge, von sauberem Saatgut und von einem bewussten Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln. Viele Wiesen würden auch erst nach dem 1. Juli gemäht. Allerdings würde die Mehrheit der Bevölkerung solche Maßnahmen nicht wahrnehmen.

Gerd Zehnter vom Verband für landwirtschaftliche Fachbildung in Bayern (vlf), Kreisverband Kronach zückt dabei seinen Sachkundenachweis. Ein Landwirt erhalte nur Pflanzen- und Düngemittel, wenn er diesen Ausweis vorzeige. Um diesen zu erhalten, müsse er regelmäßig an Fortbildungen teilnehmen. "Es wird immer zu schnell über die Landwirte geschimpft - das ist unfair!"

Was den Nachwuchs betrifft, so zeigten sich die Landwirte zufrieden. Etwa vier Junglandwirte vollenden pro Jahr ihre Ausbildung. Diese kommen nur teilweise aus landwirtschaftlichen Betrieben. Was sie alle gemeinsam haben, ist die Freude am Beruf Landwirt, erklärt Schwarz.

Was demotivierend ist

Sie sind meistens jung, wollen ihre Betriebe zukunftsträchtig ausrichten und sind bereit, dafür Risiken in Kauf zu nehmen. Unverständnis wurde in diesem Zusammenhang über das "Projekt in Welitsch" geäußert. Wenn ein junger Mann einen neuen modernen Stall bauen möchte und nach fünf Jahren seitens der Behörden immer noch keine Entscheidung gefallen ist, sei das höchst demotivierend.

Eigentlich sei es doch ein kleiner Stall, so Winter. Die Bevölkerung habe nicht begriffen, was für einen Beitrag diese Familie, die auch eine Gaststätte betreibt, für die Gemeinschaft leiste.

Die Kreisbäuerin Rosa Zehnter geht weiter: Wenn der junge Mann kann Stall bauen darf, dann sei der Bauernhof nicht überlebensfähig, die Flächen würden nicht mehr bearbeitet. "Wollen wir im Landkreis, dass die Flächen ausschließlich durch Landschaftspfleger bearbeitet werden?"

Bei dem Gespräch wurde klar, dass die Vertreter der Landwirtschaft großen Respekt vor Leuten haben, die sich zum Landwirt ausbilden lassen und dabei Risiken und ein schlechtes Image in Kauf nehmen.

Es wurde auch von einer Doppelmoral gesprochen - etwa wenn es um den Erhalt der Artenvielfalt geht. Gerd Zehnter würde sich diesbezüglich mehr sachliche Informationen wünschen. "Man sollte nicht immer gleich auf clevere Kampagnen aufspringen." Er spricht davon, dass bayernweit die Zahlen der Bienenvölker und Imker gestiegen sei. Zudem sollte sich jeder Hausbesitzer und jede Kommune überlegen, ob sie nicht mehr Grünflächen schaffen, anstatt alles zu zu pflastern. Er spricht von einem Angebot des Bauernverbands, wonach dieser Grünflächen für eine jährliche Pacht in Höhe von 50 Euro Pacht pro 100 Quadratmeter anbiete, damit jeder für den Erhalt der Artenvielfalt einen Beitrag leisten könnte.

Sorge vor zu viel Hitze

Weiterhin äußerten sich die Vertreter über den Wolf. Der jane "in unserer Kulturlandschaft nichts zu suchen", meinte Gerd Zehnter. Weidezäune würden zum Schutz von Mensch und Tier nicht ausreichen.

Mit Bangen sehen die Landwirte auch der bevorstehenden warmen Jahreszeit entgegen. Sollte es in 2019 wieder ein "dürres Jahr" geben, hätte das katastrophale Auswirkungen auf dem Waldbestand und auf die Landwirtschaft insgesamt. Zwar könne man in der Regel 30 Prozent an Futterreserven durch Silage schaffen, aber diese Menge reiche maximal nur für ein Jahr aus.

Trotz aller aktuellen Herausforderungen blicken Gerd und Rosa Zehnter sowie Erwin Schwarz positiv in die Zukunft. Es werden sich immer wieder Alternativen ergeben. Schön wäre es aber, so Rosa Zehnter, wenn die Verbraucher durch ihr Konsumverhalten die Landwirte mehr unterstützen würden. Denn nach wie vor sind die Landwirte in erster Linie Lebensmittelproduzenten.