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Darum hält Reichenbach am "Kummerkasten" fest


Autor: Hendrik Steffens

Kronach, Freitag, 13. Februar 2015

Viel Luxus leistet sich Reichenbach nicht. Eigentlich nur die alte Sporthalle der geschlossenen Grundschule im Ort. Um sie zu halten, packen Ehrenamtliche an. Vielleicht bekommen sie bald finanzielle Rückendeckung.
An der Beschaffenheit dieser Umkleidekabine lässt sich erahnen, dass die Reichenbacher Sporthalle schon ein paar Jahre alt ist. Damit einher geht, dass sie kostenintensiv ist. Aber sie ist auch ein Stück Lebensqualität der Gemeinde.  Foto: Steffens


Die alte Schulturnhalle ist ein Kummerkasten. Obwohl frei von Schülern hat sie Relevanz, ist der Mittelpunkt des Reichenbacher Vereinslebens: Für Fußballer, Skisportler, Tischtennisspieler oder Feiernde. Aber sie ist auch teuer im Unterhalt. Mit mehr als 25 000 Euro, schätzt Karin Ritter, schlägt der Klotz jährlich zu Buche. Geld, das Reichenbach kaum hat.

Als eine Prüfungskommission des Freistaats vor ein paar Jahren im Ort war, um über die Gabe von Konsolidierungshilfen zu entscheiden, meinte sie: "Zusperren, Schlüssel wegwerfen", erinnert sich Ritter. Das hätte die Gemeinde ihren wohl wichtigsten Treffpunkt gekostet. Den will die Bürgermeisterin halten, auch wenn es immer weniger gibt, die ihn bevölkern.

16 Prozent Einwohnerschwund

Reichenbach ist in den vergangenen zehn Jahren von 861 um 135 auf 726 Einwohner geschrumpft. Das sind 16 Prozent.

"Der Wegzug von den jungen Leuten halt", kommentiert Karin Ritter. Und wer zum Studieren weg sei, komme selten wieder. So ist der Rückgang der 25- bis 49-Jährigen um 97 zu erklären. Aber auch der Verlust der unter 17-Jährigen von 137 auf 89 (Stand: Ende 2014). "Klar. Wenn weniger junge Familien da sind, gibt es weniger Kinder." Im vergangenen Jahr wurden vier geboren. Gestorben sind acht Reichenbacher. Der ganz normale demografische Wandel.

Stabil wenig Wirtschaft

Einige Kommunen im Kreis Kronach haben in den vergangenen zwanzig Jahren ganze Firmen oder mindestens Abteilungen und damit Arbeitsplätze verloren. Der Job-Wegfall hatte dann Wegzüge zur Folge. "Wir haben aber keine großen Arbeitgeber. Hatten sie auch nie", sagt Ritter. Viele Bewohner schaffen in nahe gelegenen Kommunen wie Steinbach oder Tettau, wo die Wirtschaft brummt.

Der Ort ist strukturell wenig attraktiv für junge Reichenbacher, die zum Studieren fortgegangen sind. "Seien wir ehrlich: Wer in Erlangen das Studium abschließt und dort gute Jobchancen hat, der pendelt nicht von hier", meint Ritter. Das ist etwas, das sie als Bürgermeisterin einer 726-Seelen-Gemeinde schwerlich ändern kann. Wenn die Leute zurückkämen, dann im höheren Alter. Wenn es heißt: Mietwohnung in Nürnberg oder großes Haus im Heimatdorf.

Probleme mit Leerständen hat Reichenbach so gut wie nicht, meint Ritter. "Es ist halt so: Die Preise sind im Keller." Deshalb kämen Leute aus den Nachbargemeinden und kauften günstige Immobilien. Ein geräumiges Eigenheim inklusive Sanierung für 100 000 Euro ist keine Illusion in Reichenbach.

1,4 Millionen konsolidiert

Was den Schuldenstand angeht, gibt es in Reichenbach nicht viel zu meckern. Von minus 1,2 Millionen Euro wurde die Kasse in sechs Jahren auf ein Guthaben-Plus von zuletzt 200 000 konsolidiert. Zu verdanken ist das aber nicht üppigen Steuereinnahmen (der Verwaltungshaushalt liegt bei 883 000 Euro), sondern Konsolidierungshilfen des Freistaats: 750 000 Euro gab München, verteilt auf drei Raten, damit sich Reichenbach aufrappeln kann. Allein 40 000 Euro an Schuldzinsen (gerechnet auf sechs Prozent) fielen damit jährlich weg, rechnet Ritter. Zudem wurden die Schüsselzuweisungen üppiger. "Eine riesen Entlastung", sagt die Bürgermeisterin. "Aber wir mussten trotzdem einen Kraftakt leisten, mit dem man sich nicht überall beliebt gemacht hat."

Denn damit die Hilfen gewährt wurden, kamen jegliche Ausgaben der Gemeinde auf den Prüfstand. Wirklich überflüssige wurden nicht gefunden. Die finanzielle Misere war der Einnahmeseite geschuldet: Feuerwehr, Straßen, Klärwerk... die Pflichtaufgaben muss jede Gemeinde erfüllen. In Reichenbach reichen die Einnahmen dazu seit vielen Jahren nicht aus. Einzig die Turnhalle liegt als "Luxusgut" noch auf der Tasche. Und die soll auf keinen Fall weg.

"Ohne die Halle wären unsere Sportler aufgeschmissen", sagt Robert Oschmann, Vorsitzender des Arbeiter-, Turn- und Sportvereins (ATSV). Umliegende Hallen wie die in Teuschnitz seien ausgelastet. Die einzige Möglichkeit für Reichenbacher sei im Fall der Schließung, sich Vereinen in anderen Orten anzuschließen.

Um die Gemeinde zu entlasten, stimmten die Sportler vor Jahren einer Erhöhung der Stundensätze für die Nutzung von unter drei auf vier Euro zu. Außerdem sanierten Oschmann und andere Vereinsmitglieder Teile des Kastens in Eigenregie. Einen Geräteraum, der gleichzeitig Aufenthaltsraum ist, machten sie energetisch wirtschaftlicher. "Wir haben die Wände ordnungsgemäß verkleidet. Material zahlte die Gemeinde, die Arbeit machte der Verein", sagt Oschmann. So spart man Energiekosten. Gemeinde und ATSV, das wird klar, arbeiten in Reichenbach Hand in Hand.

Reichenbacher Potenziale

Im vergangenen Jahr hat in Reichenbach - wie in vielen Kronacher Gemeinden - die Vorbereitende Untersuchung begonnen, die prüft, wo förderungswürdige Potenziale schlummern (Städtebauförderung Regierungsbezirk Oberfranken). Anfang Februar sollen die Ergebnisse dem Gemeinderat vorgestellt werden.

Vorab gibt Karin Ritter Einblick: Das Gebiet um die alte Schule inklusive Turnhalle, das weiträumig der Gemeinde gehört, könnte aufgewertet werden. Dort könnte ein (Abenteuer-)Spielplatz entstehen. Auch eine Art Trimm-Dich-Pfad, ein Rundweg ums Dorf für körperliche Aktivität, sei denkbar. Die Schlagworte "Sport und Freizeit" zeigen, wo die Vorbereitende Untersuchung für Reichenbach Potenzial sieht. Es bleibt abzuwarten, in welchem Umfang nach Abschluss der VU Mittel der Städtebauförderung des Regierungsbezirks fließen. Eine ordentliche Sanierung des Kummerkastens, das wird deutlich, würde Karin Ritter freuen und die Sportler jubeln lassen.