Damit sie nicht alleine sind
Autor: Marian Hamacher
Kronach, Donnerstag, 12. Sept. 2019
Wenn die Krebsdiagnose den Betroffenen den Boden unter den Füßen weggezogen hat, sollen Selbsthilfegruppen wieder für festen Stand sorgen. Im Landkreis hat sich eine Gruppe allerdings aufgelöst - und der anderen fehlt es an Mitgliedern.
Ist da etwas? Christine Kiendl ist Anfang 40, als sie den Knoten in ihrer Brust ertastet. Kurze Zeit später steht die Diagnose: Brustkrebs. "Ich hatte natürlich viele Ängste", erinnert sich die inzwischen 62-Jährige. Kiendl - kurze schwarze Haare, farblich passende Brille - bekämpft den Krebs im Schnelldurchgang. Chemotherapie, Bestrahlung; das volle Programm. Dann ist der Krebs besiegt. "Und bisher nicht zurückgekommen", sagt Kiendl, während sie mit ihren Fingerknöcheln dreimal auf den Tisch klopft. "Nach einem Jahr ging ich schon wieder arbeiten."
Doch die Straße, die zur Genesung führt, hat bekanntlich mehr als nur eine Fahrbahn. Während sich die Medizin um den Körper kümmert, verläuft parallel eine mentale Spur. Die ebenfalls in einem möglichst guten Zustand gehalten werden sollte. "Ich habe in dieser Situation viel mit meiner Familie gesprochen", erzählt Kiendl, die damals wie heute als Hebamme in der Frankenwaldklinik arbeitet. "Auch Claus Beyerle, mein damaliger Chef, hat mich in der Zeit sehr unterstützt."
Keine medizinische Beratung
Austauschen wollte sie sich aber auch mit Frauen, die sich in einer ähnlichen Lage befanden. Während der Erkrankung und danach. Wirklich fündig wurde Kiendl nicht. "Ich wollte mit Gleichaltrigen über unsere Erfahrungen sprechen, aber bei der einzigen Selbsthilfegruppe ,Nach Krebs‘ war der Altersdurchschnitt an die zwei Jahrzehnte höher. "Daher hatte mich das nicht wirklich angesprochen."
Die Lösung: Eigeninitiative. Franca nennt sie die Selbsthilfegruppe für gynäkologische Krebserkrankungen, die sie 2003 mit Beyerle, dem damaligen Chefarzt für Gynäkologie, gründet. Das Akronym steht für ,Frauen nach Carcinom‘. "Er hatte immer mal wieder Frauen zur Krebs-Aufklärung zu mir geschickt", erzählt Kiendl. "Da dachte ich mir, man könne eine Gruppe daraus machen."
Der Zulauf ist groß. An die 60 Frauen aus der Region kommen zum ersten Infotag. Die meisten bleiben. "Wir waren alle so um die 40. Also genau in dem Alter, wie ich mir das erhofft hatte", sagt die 62-Jährige.
Seitdem treffen sich die Frauen einmal pro Monat im Caritashaus (siehe Infokasten). Und was wird dort alles besprochen? "Ach, wir sind ein geselliger Haufen", sagt Kiendl. "In erster Linie tauschen wir Neuigkeiten aus. Allerdings geben wir keine Empfehlungen oder machen medizinische Beratung." Die Mitglieder der Gruppe sollen erfahren, wie sie mit Krebs leben können und wo es Unterstützung gibt. Regelmäßig werden daher Referenten eingeladen. Zudem geht es einmal pro Jahr in den Biergarten und immer mal wieder gibt es Fahrten in andere Kliniken oder Rehas.
Das Wichtigste sei es allerdings, Mut zuzusprechen, betont die 62-Jährige: "Für das Umfeld ist eine Krebserkrankung oft belastend. Und um ihre Familie zu schonen, erzählen manche Frauen zunächst nichts von ihrer Krebserkrankung." In der Selbsthilfegruppe hätten die Frauen jemanden, mit dem sie reden können. Denn um gesund zu werden oder zu bleiben, sei es bedeutend, Hoffnung, Vertrauen und Zuversicht zu erfahren. "Außerdem muss man lernen, mit sich und der Krankheit umzugehen", sagt Kiendl. Mit anderen Betroffenen sprechen zu können, sei da eine nicht zu unterschätzende Hilfe.