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Corona-Baum: Steinwiesener stapelt 256 Rollen Klopapier für Weihnachten


Autor: Bastian Sünkel

Steinwiesen, Dienstag, 08. Dezember 2020

Deutschland hamstert und Roland Ströhlein macht mit. Er will einem scheinbar unnötigen Lockdown-Brauch damit Sinn geben - und stellt seiner Frau einen 256 Rollen hohen Baum ins Wohnzimmer.
Sein Weihnachtsbaum war auch schon eine geschmückte Leiter. Im Corona-Jahr sind es eben 256 säuberlich angeordnete Rollen Toilettenpapier im Haus der Ströhleins in Steinwiesen.Fotos: Bastian Sünkel


Er kauft immer Zehnerpackungen, sagt Roland Ströhlein, als er noch einmal die Ausmaße seines Corona-Baums vorrechnet. 2,46 Meter hoch. Zehn Ebenen. 256 Rollen weißes Toilettenpapier. Immerhin vier Rollen sind fürs Bad geblieben. Der Baum endet knapp unter der Decke und für den Erbauer ein verrücktes Jahr mit den Worten: "Damit kann mir die Corona-Krise im wahrsten Sinne des Wortes am Arsch vorbeigehen."

Natürlich wirft das alles Fragen auf: der Baum und wie die Worte des Steinwieseners zu interpretieren sind. Roland Ströhlein, 62, ist nämlich kein Mensch, der die Corona-Maßnahmen in Frage stellt, sondern genau das Gegenteil. "Ich achte auf mich und auf andere. " Wenn er mit seiner Aktion noch seine Frau Bettina zum Lachen bringt und sich selbst darüber amüsieren kann, ist es für ihn geglückt.

Bettina Ströhlein ahnt jedenfalls nichts, als sie am Freitag vor dem Ersten Advent von der Arbeit nach Hause kommt. Plötzlich steht da ein Baum aus Toilettenpapierrollen. "Ich war geschockt", sagt sie. Ihr Mann lacht. Aber wenn er schon einmal da steht, dann kann man ihn ja auch stehen lassen, hat sie gesagt. Und der Baum erhält gerade viel Aufmerksamkeit.

Packung für Packung

Mal hier, mal da hat ihr Mann nach Alltagsfahrten, vom Weg zum Arzt oder Supermarkt, eine Packung Toilettenpapier mitgebracht. Immer genau eine. Irgendwann ist ihr aufgefallen, dass sich das Lager anfüllt und hat es auch ihrem Mann gesagt. Doch er hatte längst einen Plan. Nachts, sagt er, ist er oft aufgewacht und hat gerechnet. Radius mal zwei mal Kreiszahl Pi. Eine Ebene größer, eine kleiner, immer versetzt. In der Mitte bildet eine Alustange das Grundgerüst für den Baum. In Nacht- und Nebelaktionen hat er die Schrankrückwände zu Kreisen gesägt, gestapelt und dekoriert. Rote Kugeln, Tannenzweige und -zapfen, Lichterketten und Teelichter - die aus nachvollziehbaren Gründen niemals angezündet werden. Bettina Ströhlein hat jedenfalls nichts geahnt, als sie an jenem Freitag vor vollendete Tatsachen steht.

Hamsterkäufer sind nicht gerade die beliebtesten Menschen der Corona-Krise. Allem voran die Frage, warum in Deutschland ausgerechnet Toilettenpapier vor und während des ersten Lockdowns einkaufswagenweise in den Vorratskammern der Deutschen gelandet ist, kann bis heute niemand beantworten. In Frankreich waren es Kondome und Rotwein, in Italien Wein, in Skandinavien Medikamente, in den Niederlanden Marihuana. Aber die Deutschen hatten offenbar vor etwas anderem Angst.

Auch Roland Ströhlein hat nicht nachvollziehen können, warum ausgerechnet die Deutschen an den Rollen so großen Gefallen finden. Also hat er überlegt, wie er das Horten von Toilettenpapier uminterpretieren kann. So ist die Idee zum Baum entstanden. "Der Hamsterei zum Sinn verhelfen", sagt er. Wenn die Neuinterpretation der Rollen auch alles andere als naheliegend ist. Es ist, sozusagen, ein Rollentausch.

Doch macht er sich damit nicht selbst zum Hamsterkäufer? Was haben seine Familie und Freunde gesagt, als er den Baum in WhatsApp als Profilbild präsentiert hat, mit Untertitel: "Mein Corona-Baum hat Zimmerhöhe und passt leider nicht ganz ins Profil." Jetzt wissen sie endlich, wer der Hamsterkäufer ist, hat er unter anderem als Antwort erhalten. Er habe ausnahmslos belustigte Rückmeldungen auf sein Werk erhalten. Nach Weihnachten wird das Papier auch wieder seinem eigentlichen Zweck zugeführt. Er und seine Frau rechnen vor, dass sie etwa eineinhalb Jahre damit auskommen könnten. Besser sei die Idee, kleine Weihnachtsgeschenke für Freunde und Nachbarn mit jeweils einer Rolle zu basteln. Oder die Rollen bei akuter Not direkt in der Nachbarschaft zu verteilen, sagt Roland Ströhlein.

Die Geschichte vom Glückspilz

Wer ihn unter seinem Pseudonym "Glückspilz" kennt, kann die Aktion sicher noch besser nachvollziehen. Vergangenes Jahr hat er ein Buch veröffentlicht: "Roland, der Glückspilz", der alles andere als vom Glück verfolgt war. Ein schwerer Unfall vor etwas mehr als 30 Jahren mit Langzeitfolgen. Mehrere Operationen, die er "hätte eigentlich nicht überleben können." Sogar eine Nahtoderfahrung hat er in dem Buch niedergeschrieben - um anderen Menschen damit Hoffnung zu machen.

"Annehmen, akzeptieren und das Beste daraus machen", ist sein Credo, als ein Mensch, der eben schon Wunder erlebt hat. Er sagt, er mache auch das Beste aus der Corona-Krise, indem er weder die Freude am Leben noch seinen Tatendrang verliert. Der Baum ist eines der Resultate davon. Ihm sieht man die Freude jedenfalls an. Wenn er davon in einem für viele Menschen zermürbenden Jahr etwas davon abgeben kann, ist sein Projekt geglückt.

Bettina Ströhlein überlegt kurz: Ausgefallene Bäume hatten sie die vergangenen Jahr schon. Eine Leiter zum Beispiel, die ihr Mann dekoriert hat, habe ihr gut gefallen. An den Corona-Baum hat sie sich gewöhnt. Roland plant inzwischen neue Projekte. Olympia in Steinwiesen zum Beispiel, aber das ist noch Zukunftsmusik. Im Internet unter roland-der-glueckspilz.de finden sich weitere Infos und das Buch des Steinwieseners.