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Chor im Kronacher Seniorenhaus singt gegen das Vergessen


Autor: Veronika Schadeck

Kronach, Donnerstag, 16. März 2017

Im Kronacher BRK-Seniorenhaus gibt es einen besonderen Chor. Hier singen Bewohner unter der Leitung von Silvia Wachter.
Ulrike Suchy, Daniela Müller, Heike Reier und die Leiterin der Hausgemeinschaften Tatjana Daum (von links) sind mit Herzblut bei ihrer Arbeit. Sie betreuen die Bewohner der Hausgemeinschaften so, wie sie im Alter betreut werden möchten. Foto: Veronika Schadeck


Wegen eines Trauerfalls war die Chorleiterin am Donnerstag beim Gespräch nicht anwesend. Doch anhand der Erzählungen von den Betreuerinnen der Hausgemeinschaften konnte man sich ein Bild vom Chor der "Herztöne" machen. Teilweise kann man Gänsehaut bekommen, wenn man hört, was Musik bei dementen Menschen bewirken kann.

Sobald die Chorleiterin die "Gitarrenbewegung" macht, wissen die Bewohner mit eingeschränkter Alltagskompetenz: "Es geht los!", erzählt Daniela Müller.

Silvia Wachter verbreitet Fröhlichkeit und Herzlichkeit. "Hallo, wie geht's?", begrüßt sie jeden Einzelnen beispielsweise und ergänzt: "Schön, dass ihr wieder da seid!" Mit Formalien wird sich nicht lange aufgehalten. Die rund 25 Sängerinnen und Sänger - die meisten von ihnen sind über 70 - stehen auf, schütteln manchmal Hände und Füße. Und dann stimmt der Chor, meist unter Gitarrenklängen, ein.

Der Chor, so erklärt die Leiterin der Hausgemeinschaft, Tatjana Daum, trifft sich zweimal im Monat und hat ein breites Repertoire. "Das Singen klappt" freut sich Daniela Müller. Meistens werden Lieder aus vergangenen Zeiten wie "Ade, zur guten Nacht" oder themenbezogene Lieder, wie an Weihnachten, gesungen. Manche Chorsänger scheinen sich auf einmal zu verwandeln. Bei manchen Liedern lächeln Chorteilnehmer, einige klatschen mit. Erinnerungen scheinen wach zu werden.

Bewusst nennt sich der Chor "Herztöne". Das kommt daher, so Heike Reier, weil man merkt, das Singen kommt vom Herzen. "Mir geht das Herz auf, wenn ich die Bewohner mit der beschränkten Alltagskompetenz singen sehe", so Ulrike Suchy. Für die Betreuerinnen steht fest, dass sie seit der Einführung der Chorproben einen anderen Blick für Demenz bekommen haben. Sie sehen Studien bestätigt, die besagen, dass Musik fest im Gehirn der Dementen verankert ist.

Die Sänger, die sonst im Alltag oftmals Probleme mit der Wortfindung haben, singen teilweise zwei Strophen eines Liedes auswendig, staunt Tatjana Daum. Oft kommt es vor, dass die Chorteilnehmer überraschend aufblühen und musikalisch oder textlich sensationelle Dinge vortragen.

Es ist mittlerweile ein Jahr her, als in der Hausgemeinschaft der Chor "Herztöne" gegründet wurde. Die Betreuerinnen finden anerkennende Worte für Silvia Wachter, deren Mutter auch ein Mitglied der Hausgemeinschaft war.


Freude, positives Lebensgefühl

Sicherlich ging es bei der Gründung um die Freude am Singen. Aber, so die Leiterin der Hausgemeinschaften, Musik und Gesang dient auch zur Beruhigung, zur Anregung, zur positiven Stimulierung und Bewegungsmotivation.

Auch auf der geistigen Ebene trainiert die Musik das Gedächtnis und regt Denkprozesse an. Und durch das Zusammenspiel der Töne werden Spannung und Entspannung hervorgerufen.

Sie und auch ihre Betreuerinnen haben längst mitgekommen, dass durch die Musik bei den Chorteilnehmern Erinnerungen an vergangene schöne Zeiten, an die Jugend und an die besten Jahre des Lebens wach werden. Durch das Erinnern bekannter Melodien entsteht Freude und ein positives Lebensgefühl, das noch lange durch den Tag anhält.

Beim Chor mit dabei zu sein, die Leiterin Silvia Wachter und die Sänger zu beobachten, ist spannend und erfüllend, fassen die Betreuerinnen zusammen. Und die Leiterin Tatjana Daum ergänzt: Vielleicht wissen nachher nicht mehr alle Teilnehmer, wo sie waren, aber sie haben ein Stückchen Glücklichsein mitgenommen."