Broschüren-Trick: Küpserin fällt nicht auf neue Betrugsmasche herein
Autor: Bastian Sünkel
Küps, Mittwoch, 19. August 2020
Silke Heller ist eine von vielen Unternehmerinnen in Küps, auf die es Betrüger abgesehen haben. Ein angeblich vom Rathaus beauftragter Mitarbeiter einer Firma versucht ihr eine Anzeige für eine Broschüre zu verkaufen, die nie gedruckt wird. Das steckt hinter der Masche.
Betrügern geht es immer darum, Vertrauen zu erwecken. Das kann der klassische falsche Enkel sein, der es vor allem auf das Ersparte von Senioren abgesehen hat. Oder der falsche Polizist, der die Wertgegenstände potenzieller Einbruchsopfer "in Sicherheit" bringen will - und damit verschwindet. Eine Masche, die bislang weder der Polizei noch der Industrie- und Handelskammer (IHK) bekannt ist, hat sich vor zwei Wochen Gewerbetreibende in Küps getroffen.
Ob Zahnarztpraxis, Friseursalon oder Händler: In den vergangenen Wochen hat bei Inserenten der "Informationsbroschüre 2020", die die Marktgemeinde im Juli veröffentlicht hat, das Telefon geklingelt. Der Transformatorenbauer Rufa aus Küps war eine der ersten Firmen, bei denen sich der Betrüger gemeldet hat. Geschäftsführerin Silke Heller erinnert sich genau.
Der falsche Herr Dietrich
Am 4. August hat sie ein Herr Dietrich angerufen. Akzentloses Deutsch, keine Callcenter-Kulisse im Hintergrund. Der Mann hat sich für einen Mitarbeiter der schleswig-holsteinischen Firma Inixmedia ausgegeben, die eine Redaktion in Bamberg betreibt. Auch der Markt Küps lässt sich eine Broschüre vom Unternehmen erstellen, das sich auf kommunale Öffentlichkeitsarbeit spezialisiert hat.
Der Betrüger hat der Geschäftsführerin nachdrücklich erklärt, dass er für die Neuauflage der Broschüre für das Jahr 2021 das aktuelle Exemplar angeblich überarbeiten müsse und ihr deshalb ein Angebot unterbreiten wolle. Silke Heller war allerdings bewusst, dass die nächste Ausgabe erst in ein paar Jahren erscheinen wird. Dennoch, sagt sie: "Ich war erst einmal sprachlos." Erst wirbt der Telefonbetrüger mit einem großzügigen Nachlass, dann droht er der Inserentin, dass er ihre Firma aus der neuen Broschüre herausnehmen müsse. Die Geschäftsführerin bleibt hartnäckig: "Mir war das alles suspekt." Sie hat bereits zuvor von einigen Betrugsmaschen gehört wie den angeblichen Eintrag ins Handelsregister. Doch diese Masche war ihr neu.
Geschäftsführerin Heller hat reagiert. Nach einem Anruf in der Gemeinde hat sie eine E-Mail ins Rathaus geschickt, die der FT-Redaktion vorliegt. Sie berichtet darin von einer Telefonnummer, die mit 02632 beginnt. Sowohl der Name als auch die Telefonnummer haben nicht mit ihren bisherigen Kontakten übereingestimmt, schreibt sie in der Mail.
Das Rathaus reagiert: Am 10. Januar veröffentlicht der Markt Küps bei Facebook eine Warnung. Nach einem "Achtung" in Großbuchstaben folgt der Text: "Dies sind keine vom Markt Küps legitimierten Anrufer." Und: "Schalten Sie keinesfalls eine Anzeige!"
Irene Tobiaschek arbeitet im Rathaus und ist mitverantwortlich für die Broschüre. Sie ist seit Kurzem aus dem Urlaub zurück. Ihr Kollege hat ihr eine Notiz hinterlassen: "Gehäuft" rufen derzeit Unternehmer an, die nachfragen, ob es sich bei dem Anruf tatsächlich um einen offiziellen Vertreter des Verlags handelt, der die Informationsbroschüre entwirft. Eine Neuauflage sei erst in den nächsten drei bis fünf Jahren geplant, erklärt die Sachbearbeiterin . "Das hat viele Gewerbetreibende stutzig gemacht."
Dabei gehen die Betrüger perfid vor. Aus der Broschüre des Marktes Küps lassen sich nicht nur die Adressen und Telefonnummern der Firmen herauslesen, sondern auch der Name des Medienvertreters des Verlags, der die Inserate sammelt und mit den Unternehmen in Kontakt steht. Irene Tobiaschek erklärt, dass sich der Betrüger in einigen Fällen als Nachfolger des echten Vertreters ausgegeben hat.
Eine Redakteurin der Inixmedia in Bamberg sagt, dass die Betrugsmasche seit einiger Zeit gehäuft auftrete. Oft wenn eine Broschüre gerade veröffentlicht wurde, teils aber auch Jahre danach. Manchmal sei es eine "0800"-Nummer gewesen. Dabei vereinbaren Vertreter ihrer Firma normalerweise persönliche Termine. "Das war zumindest vor der Corona-Phase so."
Selbst die Wasserzeichen von Inixmedia haben die Betrüger bei einem Anzeigenangebot bereits gefälscht, wenn ihre potenziellen Opfer per Fax oder Mail kontaktiert werden. Unabhängig vom Wasserzeichen: Die Firma hat sich bereits mit einem Rechtsanwalt besprochen, ob eine Anzeige wegen Betrugs denkbar wäre. Aber das sei schwierig. Sobald ein Vertrag unterzeichnet ist, sind der Justiz rechtlich oft die Hände gebunden. Darauf legen es die Betrüger an. Auch Inixmedia schickt derzeit Warnungen an Kunden, wenn in einer Region Betrugsversuche bekannt werden.
Doch wie erkennen Unternehmer dann einen echten Vertreter des Medienunternehmens? Am Legitimationsschreiben der Gemeinde, sagt auch Rathaus-Mitarbeiterin Tobiaschek. Das sei von der Kommune ausgestellt und unterschrieben.
Zwei Anrufe bei der Polizei: Der Pressesprecher der Polizeiinspektion Kronach, Gerhard Anders, hat von der Betrugsmasche bislang noch nichts gehört. Bei der Polizei in Kronach sei bisher noch keine Anzeige eingegangen, erklärt er. Auch beim Polizeipräsidium Oberfranken in Bayreuth ist Pressesprecher Alexander Czech die Betrugsmasche nicht bekannt.
Es sei schwierig, allgemeine Tipps gegen Telefonbetrüger zu geben. Doch Pressesprecher Czech appelliert an die Vorsicht der potenziellen Opfer: "Man muss sich immer hinterfragen, wer dahinter steckt. Seriöse Unternehmen machen keine Geschäfte am Telefon." Wenn jemand mit dem Trick aus Küps an das Geld der Unternehmer herankommen will, versuche er sich natürlich den seriösen Anschein einer offiziellen Behörde zu geben.
IHK-Pressesprecher Peter Belina hat die Rechtanwälte des Gewerbeverbands befragt: Auch bis in die juristische Abteilung ist die Betrugsmasche nicht vorgedrungen. Zwar ist häufiger von falschen Handelsregister- und Telefonbucheinträgen gewarnt worden, doch die falsche Werbeschaltung in der Gemeindebroschüre ist ihm nicht geläufig. Wenn überhaupt, sei ein Fall von mehr als zehn Jahren im Bamberger Raum aufgetreten. Doch das lasse sich nicht mehr mit Sicherheit sagen. Vorsicht bei allen dubiosen Anrufen sei der beste Weg, am Ende nicht als Betrogener dazustehen.
Ein Fall aus Baden-Württemberg
Während auf diversen Internetseiten häufig vor falschen Polizisten, Enkeln und Anwälten gewarnt wird, findet sich zu dem Küpser Fall bislang nur ein Eintrag auf einem freien Blog der baden-württembergischen Stadt Gomaringen vom 13. Februar 2019. Dort wird die Professionalität der Trickbetrüger deutlich. Der Verfasser des Artikels schreibt nicht nur über Telefonanrufe, sondern ein Netzwerk, das bis in die Türkei reichen soll. Erst meldet sich eine Stimme, die offensichtlich die Telefonnummern direkt aus den Anzeigen der Gewerbebroschüre entnommen hat. Später folgt ein Fax, auf dem die kopierte Anzeigenvorlage zu sehen ist.
Am Ende sollen die Unternehmer einen Vertrag unterzeichnen und die Kosten zwischen 400 und 4500 Euro tragen. Andernfalls schaltet der betrügerische Vertragspartner deutsche Inkassobüros ein, die das Geld für ihn eintreiben sollen.