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Großbrand bei Gerresheimer: "Sind noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen!"


Autor: Veronika Schadeck

Alexanderhütte, Mittwoch, 15. April 2020

Man sei noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen, sagt Bürgermeister Peter Ebertsch nach dem Feuer beim Glashersteller Gerresheimer. Es wurde niemand verletzt und die Produktion kann weiterlaufen.
Dicke Rauchwolken in allen Schattierungen stiegen am Dienstag über Gerresheimer in den Himmel. Veronika Schadeck


Eigentlich bringe er mit seinem Saugwagen das Wasser zu den Feuerwehren, jetzt fahre er es weg, meinte Matthias Hilbert am Mittwochnachmittag. Er und weitere Kollegen waren seit Dienstagabend ununterbrochen im Einsatz, um das kontanimierte Löschwasser aus dem Regenüberlaufbecken der Kläranlage Alexanderhütte zum Schlammstapelbehälter der Pressiger Kläranlage zu fahren. Dort, so erklärt die Fachkraft für Abwassertechnik, Steffen Emmel, werden Proben entnommen. Ob dieses Wasser wieder aufbereitet könne beziehungsweise wie es entsorgt werde, hänge vom Ergebnis ab. Er habe so etwas noch nie erlebt. "Der Brand bei Gerresheimer ist mit keinem Hausbrand zu vergleichen!"

"Wir sind noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen", zieht Bürgermeister Peter Ebertsch Resümee. Es sind keine Menschen verletzt worden und die Produktion läuft weiter. Das hätte auch anders ausgehen können. Denn Tettau hätte nicht nur Menschenleben, sondern auch 600 Arbeitsplätze verlieren können. Daher sei er überaus dankbar gegenüber allen Einsatzkräften. Es soll keiner mehr sagen, dass Investitionen in die Feuerwehren unnötig seien.

Eine sehr kurze Nacht

Die Nacht auf Mittwoch war für den Tettauer Feuerwehrkommandanten und Einsatzleiter Christian Wick sehr kurz. Gegen fünf Uhr am Morgen war sein erster Einsatz beendet. Drei Stunden später war er mit einem Baustatiker auf dem Gelände von Gerresheimer unterwegs, um die Schäden und den Zustand des Gebäudes zu überprüfen. Bis in den Nachmittagsstunden war er auch am Mittwoch vor Ort, um immer wieder auflodernde Flammen mit zu löschen oder bei den Aufräumarbeiten mit zu helfen.

Der betriebsinterne Evakuierungsplan habe zur Rettung von Menschenleben beigetragen, lobt er die Geschäftsführung und die Belegschaft. Als ein Glück bezeichnet er es zudem, dass die Glasproduktion aufrechterhalten werden konnte.

Mit Gas befeuert

Wick spricht davon, dass die beiden Glasschmelzwannen bei Gerresheimer Tettau im Wesentlichen mit Gas befeuert werden. Aus Sicherheitsgründen habe man die Hauptzufuhrleitung für kurze Zeit abgestellt, denn man hatte Angst, dass das Dach auf die Leitung fallen könnte. Flüssiges Glas müsse aber auf Dauer beheizt werden, denn sonst "gefriert" es und beschädigt die Glasschmelzwannen. Es hätte kein Glas mehr produziert werden können, der wirtschaftliche Schaden wäre enorm gewesen, ergänzt der Bürgermeister. Er wolle gar nicht daran denken, was dies für den Industriestandort Tettau und für die Region bedeutet hätte.

Ebertsch ist ebenso wie Christian Wick stolz auf die Feuerwehrleute und auf die Rettungskräfte von Polizei, THW und BRK. Der Kommandant spricht von Übungen, Schulungen, vom Austausch mit Führungskräften bei den Feuerwehren und von Weiterbildungen. Aber: "Das bei Gerresheimer war eine andere Hausnummer!"

In diesem Fall habe er einfach nur funktioniert, versucht Wick seine Gefühlslage zu beschreiben. Als aktiver Feuerwehrler sei man mit einem Helfersyndrom ausgestattet, und in solchen Momenten zählen nur Gedanken dahingehend, wie Leben gerettet und Schäden an Gebäuden und Maschinen minimiert werden können.

Wie er weiter erzählt, seien während des Einsatzes Abschnitte gebildet worden, in denen Teams verschiedene Aufgaben zu erledigen hatten. Dazu zählte auch neben der ganzen Technik, der Bekämpfung der Flammen auch die Wechselkleidung und die Verpflegung. Es wurde darauf geachtet, dass die Atemschutzgeräteträger in bestimmten Zeitabständen ausgewechselt werden.

Lob für das Zusammenspiel

"Das Zusammenspiel mit den anderen Feuerwehren, BRK, Polizei und THW hat toll funktioniert". Immerhin, so erklärt er, seien bei dem Brand 350 Kameraden und Rettungskräfte im Einsatz gewesen. Problemlos lief auch die Löschwasserversorgung, berichtet er weiter. Nur wenige Minuten habe man Löschwasser aus dem öffentlichen Netz bezogen. Schon wenig später wurde das Löschwasser aus den Teichen der Alexanderhütte und Gerresheimer bezogen.

Der Geschäftsführer von Gerresheimer Tettau war am Mittwoch nicht zu erreichen. Es fanden zahlreiche Besprechungen statt, auch die Kripo Coburg fuhr am Nachmittag nochmals zu Gerresheimer, um nach der Brandursache zu suchen. Diese stand aber ebenso wie der finanzielle Schaden noch nicht fest (Stand: 16.30 Uhr).

Steffen Emmel ist gespannt, was die Wasserproben bringen. "Wir werden darauf aber eine Woche warten müssen!" Er und Bürgermeister Peter Ebertsch danken in diesem Zusammenhang dem Markt Pressig. Es war ein Glücksfall, dass dort der Schlammstapelbehälter gerade leer war, so Emmel.