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Bloß Socken oder doch Drogen?


Autor: Katja Nauer

Coburg, Freitag, 15. Dezember 2017

Verschlüsselte Chatverläufe sollten verhindern, dass die Polizei den Drogengeschäften eines Paars auf die Spur kommt. Das gelang jedoch nicht.
Crystal ist eine der Drogen, wegen deren Verkaufs sich der 37-Jährige und die zur Tatzeit 17-Jährige jetzt vor dem Landgericht verantworten mussten.Arno Burgi, dpa


Mit den Sätzen "Wie viele Socken bräuchtest du?", "zwei bis drei" und "wir brauchen unbedingt normale kleine Tüten", ist nicht etwa ein harmloser Strumpfkauf im Warenhaus gemeint. Nein, mit Sätzen wie diesen tarnten ein 37-jähriger Mann aus Coburg und seine 17 Jahre alte Freundin aus Mitwitz ihre Drogenverkäufe.

Am Freitag verlasen die Richter der Ersten Großen Strafkammer die Chatverläufe und die Kommunikation aus den beschlagnahmten Mobiltelefonen des Pärchens, das sich wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz vor dem Landgericht Coburg verantworten musste. Aus rund 300 Seiten von den Ermittlern ausgewerteten Dialogen und Sprachnachrichten, die mit der neuen Technik, die noch ihre Tücken hatte, ebenfalls angehört wurden, konnten die Richter aus dem Vollen schöpfen.

Ob "der Typ mit 500 kommt gleich (...), dass du Bescheid weißt" oder "mein Kollege braucht jetzt auf einmal nichts mehr, der ist gestern selber rübergefahren", tauschte sich das Pärchen über mögliche Drogengeschäfte in Deutschland und Tschechien aus.

Eine Polizeibeamtin aus Coburg, die die Telefone der beiden ausgewertet hatte, erklärte: "Mit beiden Handys wurden Rauschgiftgeschäfte durchgeführt." Sie berichtete, dass das Pärchen konkrete Absprachen bezüglich Zeit und Ort verschlüsselt habe. Aus "Crystal" wurde so "Crysi" oder "Krissi". Für die Ermittler sei allerdings nicht ersichtlich, ob die Drogengeschäfte tatsächlich stattgefunden hätten, erklärte sie zudem.


Festnahme in der Vogtlandbahn

Am 5. Februar dieses Jahres klickten in einem Abteil der Vogtlandbahn, die zwischen Cheb und Marktredwitz verkehrt, die Handschellen. Fahnder entdeckten in der Jacke der jungen Frau Bargeld und knapp 60 Gramm Crystal Speed, das zum Eigenbedarf und laut Staatsanwaltschaft zumindest zur Hälfte zum Weiterverkauf im Coburger Raum bestimmt war. Weitere Nachforschungen ergaben, dass das Pärchen wohl auch eine Woche zuvor in Tschechien mindestens 40 Gramm Speed mit einem sehr hohen Wirkstoffgehalt gekauft haben soll.

Beide Drogengeschäfte gab das Pärchen zu. Über die Verkäufer und Abnehmer der Drogen sowie die Menge, die die beiden für ihren Eigenbedarf benötigten, machten die junge Frau, die eine Lehre als Einzelhandelskauffrau absolviert, und ihr Lebensgefährte, der zuletzt als Kurier- und Staplerfahrer arbeitete, allerdings keine Angaben. Beide Angeklagten gaben an, hochgradig abhängig zu sein und täglich rund ein Gramm der Droge konsumiert zu haben. Der Mann ist dreimal vorbestraft, darunter wegen Diebstahls, Nötigung und dem unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln.


Positive Sozialprognose

Da die junge Frau zur Tatzeit erst 17 Jahre alt war, gilt für sie das Jugendstrafrecht. Eine Sachbearbeiterin von der Jugendgerichtshilfe gab ihre Empfehlung ab: Die junge Frau habe die Einsicht und den Willen, aufzuhören. Ihr Zustand sei stabil, Drogentests bei der Polizei seien negativ ausgefallen. "Ich gehe von einer positiven Sozialprognose aus", erklärte sie. Dennoch empfahl sie eine dreimonatige Betreuung und Begleitung durch ihre Behörde, um die junge Frau, die zurzeit von einer Suchtberatungsstelle betreut werde, weiter zu stabilisieren.


"Klassische Beschaffungskriminalität"

In seinem Plädoyer wertete Staatsanwalt Michael Koch das Verhältnis des Pärchens als Geschäftsbeziehung. Der erwachsene, lebenserfahrene 37-Jährige sei wohl die treibende Kraft gewesen, meinte er, aber auch die Angeklagte habe trotz ihres deutlich jüngeren Alters "eine tragende Rolle" bei den Geschäften gespielt. Für den gebürtigen Forchheimer hielt Koch vier Jahre und sechs Monate für tat- und schuldangemessen. Zudem forderte er dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. "Das war klassische Beschaffungskriminalität", sagte der Staatsanwalt. "Es besteht die Gefahr, dass, wenn die Sucht nicht behandelt wird, weitere Straftaten begangen werden".

Die Richter sprachen beide Angeklagte wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben schuldig. Der Coburger muss für vier Jahre ins Gefängnis und in eine therapeutische Entziehungsanstalt. Die junge Frau kam mit einem blauen Auge davon: Sie wurde zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt.