Birgitta Staufer-Neubauer: "Ich bin keine Hilfspfarrerin"
Autor: Sonny Adam
Kronach, Freitag, 12. Sept. 2014
Birgitta Staufer-Neubauer ist eine Pastoralreferentin mit Leib und Seele. Als Frau hat sie es in der katholischen Kirche sicherlich nicht leicht.
Die Pastoralreferentin spricht offen und ehrlich über Glaubensfragen, über den Stellenwert von hauptamtlichen Laien und der Frauen in einer Männerwelt und hat nur einen Wunsch: Aktiv dabei zu sein, mitzumischen.
In den Sommermonaten ist es normalerweise auch kirchlich ruhig. Wie verbringen Sie die Ferienzeit, bleibt Zeit für Urlaub, und was ist jetzt zu tun?
Birgitta Staufer-Neubauer: August und September sind eine gute Zeit, neben Urlaub ist es eine Zeit zur Nacharbeit, zum Aufräumen und zum Vordenken.
Sie sind Pastoralreferentin? Was ist der Unterschied zu einem Pfarrer?
Es gibt viele Unterschiede, Priester sind männlich, sie sind geweiht. Pfarrer ist eine Dienstbezeichung, die allerdings auch nur Priestern frei steht.
Was tun Sie nicht? Und tut ihnen das leid. Oder fühlen Sie sich deshalb "abqualifiziert"?
Eine Pastoralreferentin darf, übrigens, wie jeder Laientheologe, keine Sakramente spenden. Ja, das tut mir manchmal leid, weil man hier an ganz wichtigen Lebensereignissen der Menschen ganz nah dran ist. Ich fühle mich nicht abqualifiziert, aber trotzdem ein bisschen von wichtigen seelsorgerischen Aufgaben ausgeschlossen.
Betrachten Sie sich ein bisschen als "Hilfs-Pfarrerin" oder fühlt man sich als Pastoralreferentin so?
Nein, Hilfspfarrerin geht nicht, denn dann hieße das ja, dass Pfarrer-sein der Maßstab ist. Aber Maßstab ist der Dienst am Menschen und den kann jede und jeder tun. Wir sind Laientheologen mit einer theologischen Qualifikation. Aber die Realität zwingt manchmal leider sehr unreflektiert dazu, Aufgaben zu übernehmen.
Wer hat das Sagen in der Gemeinde? Der Pfarrer? Oder haben Pastoralreferenten auch Freiheiten?
Im Sinne der Gemeindeleitung ist der Pfarrer der Chef. Wenn er klug ist, nutzt der die Begabungen und Fähigkeiten seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für die gemeinsame Sache.
Bald wird das neue Gesangbuch eingeführt. Hat das Auswirkungen für Sie, üben Sie Lieder mit den Katholiken in Kronach ein oder gibt es ähnliche Aktionen?
Ich kann mit niemand üben, ich bin froh, wenn ich selbst den Ton halten kann, aber es gibt Einführungsveranstaltungen für Organisten, Kantoren und die Gemeinden.
Wie beurteilen Sie die Rolle der weiblichen Hauptamtlichen in der katholischen Kirche - erwünscht, geduldet, nötig?
An vielen Stellen erwünscht, an manchen Stellen geduldet und in den meisten Fällen nötig.
Sie haben keine ganze Stelle - warum nicht und würden Sie gerne mehr machen?
Ich arbeite seit der Geburt meiner Kinder schon immer halbtags und in unserem Dienst sind die Aufgaben ohnehin nicht in Stunden zu messen. Aber meine Arbeit ist meistens mit viel Freude verbunden.
Muss die katholische Kirche weiblicher werden?
Die Kirche ist weiblich, es ist nur eine Sache des Blickwinkels. Wir leben von dem Engagement der Frauen an vielen, vielen Stellen, nur nach oben wird es dünner. Klar, hier könnte die katholische Kirche weiblicher werden.
Wie sehen Sie die Ökumene - Gleichmacherei, nötig, geht etwas verloren, wenn sich alle Kirchen annähern oder stärkt die Annäherung alle?
Eine vernünftig gelebte Ökumene kann nur stärken, eine Gleichmacherei ist nicht nötig, die gemeinsame Aufgabe lautet "Christ sein in dieser Gesellschaft".
Viele Menschen kehren heute dem Glauben den Rücken zu. Woran, glauben Sie, liegt das?
Ob sie wirklich dem Glauben den Rücken kehren, wage ich noch zu bezweifeln, die Sehnsucht der Menschen über sich hinaus zu denken ist groß, aber die beiden großen Kirchen haben wohl an vielen Stellen die Sprache und die Mittel verloren den Sehnsüchten der Menschen eine verständliche und lebbare Antwort zu geben.
Als Frau hat man es in der katholischen Kirche nicht leicht. Von Gleichberechtigung keine Spur - ist das für Sie ein Problem für Sie?
Wenn man sich entschließt, in der katholischen Kirche zu arbeiten, ist Gleichberechtigung im gesellschaftlichen Verständnis nicht die richtige Frage. Im theologischen Kontext und als gläubige Christin stellt sich für mich diese Frage nicht und im gemeinsamen Dienst in St. Johannes spüre ich keine Benachteiligungen. Ich muss sagen, es sind hier alles freundliche Kollegen.
Warum ist Glaube für Sie wertvoll?
Weil er Freiheit schenkt, weiter und tiefer zu sehen, weil ich mich geliebt und aufgehoben fühle mit allem was ich kann und wer ich bin: "Mein Name ist in Gottes Hand geschrieben".
Wie kamen Sie persönlich auf ihren Beruf und haben sich die Erwartungen erfüllt?
Ich habe einen "gut" katholischen Hintergrund, habe lange Jahre in Leitungsämtern eines kirchlichen Jugendverbandes gearbeitet und interessante Menschen kennengelernt, die mein Interesse an der Theologie geweckt haben - sonst wäre es wahrscheinlich Jura oder Geschichte geworden. Die Erwartungen der Anfangsjahre haben sich sicher nicht erfüllt, aber wer weiß was noch "drin" ist. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Viele Menschen besuchen die Gottesdienste nicht mehr. Ist das für Sie ein Ärgernis und wie begegnen Sie dem?
Das ist kein Ärgernis, höchstens eine Traurigkeit, aber wir müssen neue Wege gehen um die Menschen zu erreichen, wir müssen "an die Hecken und Zäune" . Wir müssen nach neuen Wegen suchen, die Fragen der Menschen zu erfahren und versuchen sie glaubwürdig mit ihnen gemeinsam zu beantworten. Wir müssen neue Formen der Spiritualität entwickeln und dabei versuchen das Bewährte zu bewahren und Neues zu wagen.
Wie muss Kirche der Zukunft aussehen?
Politisch und spirituell: Wir müssen uns einmischen in die Fragen und Probleme der Zeit. Wir sollten uns unseren Platz als anerkannter und kompetenter Gesprächspartner zurückholen - und wir sollten wieder verstärkt ein glaubwürdiger spiritueller Ort werden, an dem die existenziellen Fragen der Menschen ihren Platz haben. Unsere Aufgabe ist es von Gott zu sprechen, ihn ins Gespräch bringen. Kirche, ihre Orte und die Menschen, die in ihr arbeiten und leben sollte Gott erlebbar machen.
Es geht ja nicht nur um Gottesdienste, sondern die Kirche leistet auch wertvolle kulturelle Aufgaben. Sie als Pastoralreferentin sind ganz nah bei den Menschen, was ist Ihr Steckenpferd?
Mein Steckenpferd ist der "Rand" - ich möchte, dass mich Menschen fragen, was glaubst denn du, was willst du uns denn sagen: Wer ist der, über den du redest, kann er mir auch was sagen? Das ist meine Passion, aufmerksam zu sein, zu zu hören und neue Wege zu ersuchen.
Pfarrer sind rar - übernehmen Pastoralreferenten immer mehr Aufgaben?
Es ist ein fataler Gedanke, dass irgendwer "nur" ersetzt wird. Es bringt niemanden weiter, wenn nur Aufgaben erfüllt werden ohne zu schauen: Wer kann das, was brauchen wir wirklich und wen brauchen wir an welcher Stelle?
Welche wichtigen Akzente hat der neue Papst für Sie gesetzt?
Es scheint so, als mache einer die Fenster auf, als zieht es endlich mal ein bisschen. Aber dass es bald zu großen Reformen kommen wird, glaube ich nicht. Wir leben in einer Weltkirche und die Kirche in Deutschland ist nicht der einzige Blickpunkt des Papstes. Aber wir reden ja in Jahrtausenden. Einen Satz habe ich mir gut gemerkt, er hat ihn für die Familien gesagt: Die wichtigsten Wort sind "Bitte, danke, Entschuldigung" das gilt wohl auch für unseren Umgang in der Kirche.
Wenn Sie drei Wünsche frei hätten - welche wären das?
Dass "Gott" wieder diskutiert wird, dass Kirche ein verlässlicher und glaubwürdiger Gesprächspartner in Gesellschaft und Politik wird, dass wir aufhören in Gedanken wie Absperrung, Angst und Erhaltung leben und vielleicht noch einen vierten Wunsch: dass ich noch ein bisschen mitmischen darf.