Beschuss tötete 13 Menschen in Nordhalben
Autor: Michael Wunder
Kronach, Montag, 13. April 2020
Vor 75 Jahren spielten sich in Nordhalben dramatische Szenen ab, als US-Panzer das Feuer auf den Ort eröffneten.
Heute vor genau 75 Jahren war Nordhalben Ziel des Artillerie-Beschusses. Einen Tag vorher hatte man an den drei Ortseingängen Panzersperren errichtet. In der Nachbargemeinde Tschirn hatte man an diesem Tag bereits einige Häuser mit Panzern in Brand geschossen. Auf Nordhalben wurden insbesondere auf die Zufahrtsstraßen Warnschüsse abgegeben. Daraufhin verließ ein Teil der Bevölkerung den Ort und zog sich in die Wälder zurück.
Die Amerikaner, deren Beobachtungsflugzeug über den Ort kreiste, erwarteten offensichtlich das Hissen der weißen Flagge. Da dies nicht erfolgte, begannen die Panzer am 14. April gegen 9 Uhr mit dem Beschuss des Ortes. Zwar befanden sich hier nur noch wenige deutsche Soldaten und an eine Verteidigung war gar nicht gedacht worden, aber die Amerikaner hatten die Panzersperren entdeckt und wollten offenbar keinerlei Risiko eingehen.
Beherzte Männer
Nach etwa einstündigem Beschuss - 56 Schüsse sollen in dieser Zeit auf den Ort abgegeben worden sein - wagte es endlich eine Gruppe von beherzten Männern, geführt von einem Deutsch-Amerikaner (Schlossers Paul), den US-Panzern mit einer weißen Fahne entgegenzugehen. Damit wurde zwar weiteres Unheil verhütet, aber der Ort hatte schon schwer gelitten. Durch einen Volltreffer in das Haus Fichteraweg 23 kamen allein elf Menschen um. Der Beschuss forderte insgesamt 13 Menschenleben, etwa 20 Häuser brannten ab oder waren schwer beschädigt, viele andere wiesen leichtere Schäden auf, darunter auch die Pfarrkirche.
Noch ein Standgericht
Bei einer KAB-Veranstaltung vor fünf Jahren berichtete Georg Simon, der bei Kriegsende fünf Jahre alt war, von seinen Erinnerungen: "Es hat schon vorher rumort, von einer heilen Welt waren wir weit entfernt", sagte Georg Simon damals. Am Weißen Sonntag, es war der 8. April, haben nicht einmal die Glocken geläutet. Zwei Tage später sei ein Soldat zum Tode verurteilt worden. Das Standgericht Helm habe unter Anwesenheit des örtlichen Pfarrers Fiedler die Hinrichtung bei der Fichtera durchführen lassen.
In den folgenden Tagen seien auch Warnschüsse abgegeben worden. Die Amis seien dann über Wilhelmsthal und Tschirn nach Nordhalben vorgestoßen. "Panzersperren" in Form von gefällten Bäumen stellten überhaupt kein Hindernis dar. Am Samstag gegen halb zehn Uhr begann dann der Beschuss auf den Kernbereich von Nordhalben.
Binnen kürzester Zeit, die Bombardierung dauerte rund eine Stunde, standen verschiedene Gebäude in Flammen. "Wir haben uns im Keller unserer ehemaligen Werkstatt versteckt, da fühlten wir uns am sichersten", erinnert sich Georg Simon. Dass dies nicht so war, musste man kurze Zeit später feststellen, ein Granatsplitter hatte seinen dreijährigen Bruder in den Armen seiner Mutter am Kopf getroffen und getötet. Insgesamt hat der Zweite Weltkrieg Nordhalben schwere Opfer gekostet. Der Ort hat neben diesen Toten noch 115 Gefallene und 74 Vermisste zu beklagen.
Verheerender Treffer
Der Nordhalbener Chronik von Horst und Harald Wunder aus dem Jahr 2004 ist ein Brief zu entnehmen, in dem Oberinspektor Heinrich Peetz seinen beiden Töchtern Hedwig und Elsbeth sowie zwei weiteren Verwandten eindrucksvoll die Geschehnisse des 14. April 1945 schildert. Darin heißt es unter anderem: "Am Samstag gegen 10 Uhr ging die Beschießung los. Gleich die ersten Schüsse mitten in den Ort. Das dauerte über eine Stunde. Etwa 80 Schüsse werden es gewesen sein, eher mehr als weniger. Wir gingen gleich in unseren Keller, in dem wir alle Koffer, die bei uns liegen, Bettwäsche usw. gebracht hatten (...)