Belastung für Nordhalbener Bürger wird steigen
Autor: Veronika Schadeck
Nordhalben, Montag, 17. Oktober 2016
Weil es in Nordhalben bei Starkregen zu einer Überbelastung des Kanalsystems kommt, besteht Handlungsbedarf. Der Bürgermeister hat ein Konzept vorgelegt.
Was passiert, wenn notwendige Maßnahmen im Bereich der Wasserversorgung über Jahre hinweg nicht in Angriff genommen werden? Wenn rechtzeitige Sanierungsmaßnahmen verpasst werden und die Anzahl der Einwohner rückläufig ist? Was sind die Folgen? Und wer trägt die Kosten? Nordhalben ist ein Beispiel dafür, wie schwierig es sein kann, die Bereiche Wasser und Abwasser für die Bürger finanzierbar zu halten.
Ganz aktuell geht es um eine Fristverlängerung. Weil es bei Starkregen an verschiedenen Punkten in der Gemeinde zu Überlastungen im Kanalsystem kommt, steht in Nordhalben seit Jahren der Bau eines neuen Regenüberlaufbeckens (RÜB) zur Diskussion. Mit diesem könnte der Abfluss des Regenwassers wohl reguliert werden.
Mehrfache Fristverlängerung
Doch bislang wurde noch kein RÜB gebaut.
Die Diskussion um ein solches erstreckt sich nun schon über mehrere Jahre. Weil zunächst keine Lösung in Sicht war, erhielt die Gemeinde vom Landratsamt mehrfach eine Fristverlängerung für die Mischwassereinleitung in die Kläranlage - allerdings mit der Auflage, bis zum Ende des Jahres nicht nur ein Konzept zur Problemlösung, sondern auch darin enthaltene Maßnahmen umzusetzen. Diese Frist läuft Ende 2016 aus. Deshalb hat der Markt Nordhalben nun eine erneute Fristverlängerung beantragt.
Nach Ansicht von Bürgermeister Michael Pöhnlein müssten die Kosten für ein neues RÜB in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro auf die Bürger umgelegt werden. Außerdem macht er deutlich, dass er nach wie vor kein Freund eines Reckenüberlaufbeckens sei. Auf Grund der Lage im Tal sei der Kanal auf dem Berg bei Starkregen überlastet. Um dieser Überlastung entgegenzutreten, hat die Gemeinde laut Bürgermeister bereits Maßnahmen eingeleitet. Konkret will man die Abwassermengen reduzieren, indem man beispielsweise Regenwasser versickern lässt und erst gar nicht in den Kanal einleitet. "Diese Maßnahmen werden Schritt für Schritt umgesetzt", betont Pöhnlein. Dadurch würden die Kosten für die Abwasserbehandlung verringert und die Reinigungsleistung der Kläranlage erhöht. Um eine RÜB kommt Pöhnlein dennoch nicht herum. Allerdings will er kein neues bauen, sondern das bestehende von 160 auf dann 300 Kubikmeter Fassungsvermögen erweitern und dadurch Kosten sparen. Zwischenzeitlich ging man sogar davon aus, dass man mit noch geringerer Kapazität auskommen könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Planungsunterlagen eingereicht
Wie Pöhnlein weiter verdeutlicht, seien entsprechende Planungsunterlagen bei den zuständigen Stellen eingereicht worden. Nun hofft er, dass diese für das beantragte Wasserrechtsverfahren für eine Fristverlängerung ausreichend sind. Demnach soll unter anderem das gesamte Kanalsystem des Marktes Nordhalben in den nächsten vier Jahren mit der Kamera befahren werden. Rund 90 000 Euro werden für diese Befahrung bereit gestellt. Stück für Stück will man Schäden am Kanalsystem beheben und den Fremdwasserzulauf stoppen.Nach Auskunft des Sachgebietsleiters Gewässerschutz vom Wasserwirtschaftsamt, Josef Stenglein, wird seine Behörde aller Voraussicht nach das Einverständnis für die eingereichten Planungen erteilen. Auch das Landratsamt hält die Planungen, nachdem diese bereits mehrfach ergänzt wurden, für ausreichend. Da die Baumaßnahmen aber bis zum Jahresende nicht mehr durchgeführt werden können, wird wohl - so ist aus dem Amt zu hören - eine weitere Fristverlängerung erteilt werden - allerdings unter Auflagen. Welche das sein werden, sei noch mit dem Wasserwirtschaftsamt Kronach zu klären. Bei den Gesprächen soll auch Landrat Oswald Marr mit vertreten sein.
Keine Kalkulation
Welche Investitionen nun für die Erteilung dieser Wasserrechtserlaubnis aufgebracht werden müssen, darüber gibt es laut Pöhnlein noch keine Kalkulationen.
"Erst müssen wir die Stellungnahmen der Behörden abwarten, danach können wir eine Kostenschätzung erstellen." Laut Auskunft von Josef Stenglein müssen aber selbst für die Erweiterung des RÜB auf etwa 300 Kubikmeter (bisher 160) mehrere Hunderttausend Euro aufgebracht werden. Zurzeit zahlen die Nordhalbener für Wasser und Abwasser pro Kubikmeter um die fünf Euro. Angesichts der bevorstehenden Investitionen ist davon auszugehen, dass die Bürger tiefer in die Tasche greifen müssen.
Eine Chance, als Härtefall anerkannt zu werden und damit an hohe Unterstützungszahlen zu kommen, hat der Markt Nordhalben nach aktuellem Stand nicht. Demnach müsste die Gemeinde bis Ende 2019 4,5 Millionen Euro investieren, um in die Härtefallregelung zu fallen. "Das ist aber auf Grund der Finanzlage nicht machbar", betont Pöhnlein.
Keine Festlegung
Welche Gebühren und Beiträge dem Bürger zugemutet werden können, da gibt es - so das zuständige Umweltministerium - keine Festlegungen. Es gibt Angaben vom Bundesamt für Statistik. Demnach liegen in Bayern die jährlichen Kosten für Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung bei einer Menge von jeweils 80 Kubikmetern bei durchschnittlich 324 Euro. Das bedeutet, dass die Nordhalbener bei einem aktuellen Kubikmeterpreis von fünf Euro schon jetzt mehr bezahlen.
Härtefallregelung
Nach Auskunft der Pressestelle des Umweltministeriums ist die so genannte Härtefallförderung so konzipiert, dass Sanierungsvorhaben in Bereich Wasser/Abwasser nach Überschreiten einer sogenannten Härtefallschwelle
(Pro-Kopf-Belastung in Euro je angeschlossenem Einwohner) gefördert werden könne. Die Pro-Kopf-Belastung berechnet sich aus den Investitionen der Vergangenheit und der Zukunft (Zeitraum 1. Januar 1996 bis 31. Dezember 2019), die auf die angeschlossenen Einwohner verteilt werden. Dabei wird auch ein Demografiefaktor berücksichtigt, der Kommunen mit einem Bevölkerungsrückgang zugute kommt. Im Markt Nordhalben steht auch die Trinkwasserversorgung seit Jahren zur Diskussion. Zur Situation: Seit der Stilllegung der eigenen Trinkwasserquellen im Jahre 2010 aus Qualitätsgründen bezieht Nordhalben das Wasser zu 100 Prozent von der Fernwasserversorgung Oberfranken. Bis 1976 versorgten die Quellen ganz Nordhalben. Ab 1976 beliefert die FWO einen Teil von Nordhalben mit Wasser. Der andere Teil wurde aus den eigenen Quellen versorgt.
Problem Hausanschlüsse
Das rund 20 Kilometer lange Wasserleitungsnetz ist zudem in die Jahre gekommen. Die Hauptleitungen stammen aus dem Jahre 1912 und sind teilweise aus Guss. "Diese sind aber in einem guten Zustand", betont Bürgermeister Michael Pöhnlein. Probleme machen vielmehr die Hausanschlüsse. Es kam und kommt zu vermehrten Rohrbrüchen. Hier steht ein großer Sanierungsstau an.
Auf zwei Beine stellen
Trotz hoher Investitionen, die der Markt für die Trinkwasserversorgung und im Abwasserbereich tätigen muss, hält Pöhnlein weiterhin an einer Wiederbelebung der gemeindeeigenen Trinkwasserquellen fest. Eine ausschließliche Wasserversorgung durch die FWO sei nicht zielführend. Es sei besser, die Wasserversorgung auf zwei Beinen zu stellen.
Gerade in Zeiten des Klimawandels wäre es falsch, "die von den Vorfahren gebauten Trinkwasserquellen nicht mehr in Betrieb nehmen zu wollen". Außerdem: "Eine dezentrale Trinkwasserversorgung bedeutet auch Unabhängigkeit und Sicherheit."
Keine Zahlen
Wieviel Geld die Nordhalbener in die eigene Trinkwasserversorgung investieren müssten, darüber existieren noch keine Zahlen. Der Zustand der gesamten Trinkwasserversorgungsanlagen (Quellen, Hochbehälter) hätte nicht so kommen müssen, wenn man in der Vergangenheit gehandelt hätte, ist Pöhnlein überzeugt. Mittlerweile hat Nordhalben einen Wassermeister eingestellt, der die verschiedenen Trinkwasserversorgungsanlagen auf Vordermann bringen soll. Beispielsweise wird eine Fernüberwachung am Hochbehälter eingebaut.
Außerdem arbeitet er zusammen mit dem Ingenieurbüro Heimbucher an einem Konzept für die Inbetriebnahme der Trinkwasserquellen.Bürgermeister Michael Pöhnlein weiß um die Investitionen und die Belastungen für die Bürger, die möglichst gering gehalten werden sollen. Dass er deshalb von großen Herausforderungen spricht, ist kein Wunder.