Barrierefreiheit in Kronach: Kanten ecken bei Bürgern an
Autor: Marco Meißner
Kronach, Mittwoch, 05. August 2015
Die Kreisstadt hat sich dem Ziel der Barrierefreiheit verschrieben. Aus der Kronacher Bürgerschaft gibt es jedoch Stimmen, dass gerade in belebten Bereichen zu wenig zum Entschärfen von Gefahrenstellen unternommen wird.
Es ist kein leichtes Unterfangen, wenn ein älterer Mensch auf der Bahnhofsbrücke vom Gehsteig über den Zebrastreifen gehen will. Zuvor muss er erst noch eine Klippe überwinden - die hohe Bordsteinkante.
Aus unserer Leserschaft hört man immer wieder Stimmen, dass es im Stadtgebiet solche gefährlichen Hindernisse gibt. Beispielsweise auch im Bereich der Stockardtsbrücke. Und nicht zuletzt wird das Bahnhofsgelände als untauglich für gehbehinderte und ältere Menschen genannt.
Gerade vor dem Hintergrund der städtischen und bayerischen Zielsetzung, intensiv auf die Barrierefreiheit hinzuarbeiten, sorgen solche vermeintlichen Gefahrenherde in stark frequentierten Bereichen für Unmut.
Aus dem Polizeialltag
Der Polizeibeamte Georg Pabstmann ist aus seiner beruflichen Praxis heraus nicht begeistert von hohen Bordsteinkanten. Auf unsere Nachfrage schildert er Situationen, in denen sich Rol latorbenutzer und Rollstuhlfahrer schwer tun, die Bordsteinkanten zu überwinden, oder in denen Radfahrer im fließenden Verkehr her umeiern, weil sie nicht auf den Geh- und Radweg hochkommen. "Am Bahnhof ist es ganz extrem", erklärt der Polizist.
Gleiches gelte beispielsweise für den Einmündungsbereich in die Industriestraße in Kronach. Da sei die Situation teilweise lebensgefährlich, zum Beispiel wenn radelnde Kinder versuchten, mit Schwung auf den Gehweg hochzufahren. Und Kinder machten das eben so, auch wenn ein Absteigen vernünftiger wäre. Gerade an solchen markanten Stellen, wo Tausende Menschen unterwegs seien, würde er sich ein schnelleres Handeln der Verantwortlichen wünschen. "Aber es geschieht nichts", übt er Kritik.
"Wir setzen diese Dinge um, soweit es geht", antwortet Stadtkämmerer Günther Deuerling hinsichtlich der Barrierefreiheit. Doch die Möglichkeiten der Kreisstadt würden durch die finanzielle Situation eingeschränkt.
"Der Umbau einer Kreuzung kostet 30 000 bis 40 000 Euro", gibt er eine Hausnummer für derartige Investitionen ab. Deshalb werden in der Regel nur dann Veränderungen vorgenommen, wenn ohnehin Straßenbaumaßnahmen anstehen. Das erspart der Stadt eine Doppelbelastung.
Unterschiedliche Interessen
Doch nicht nur das Geld bremst Günthers Aussage nach eine flächendeckende Absenkung der Bordsteine. Es gebe vielmehr auch einen Widerstreit unter den Behinderten, sagt er. "Ein Blinder will klare Kanten, ein Rollstuhlfahrer Ebenen" - und die Stadt befinde sich in dieser Kontroverse zwischen Tür und Angel. "Das ist ein Konflikt, den man nicht lösen kann", fügt der Kämmerer an.
Außerdem sieht Günther durchaus auch einen positiven Aspekt bei einer höheren Bordsteinkante - gerade in viel befahrenen Bereichen: "Bis zu einer gewissen Geschwindigkeit hat ein solcher Bordstein auch eine ableitende Wirkung für die Autos."
Bahnhof: mittelfristiges Ziel
Wenn es um das Bahnhofsgelände selbst geht, ist die Stadt nicht zuständig. Doch in dieser Hinsicht wird von unseren Lesern der Landtagsabgeordnete Jürgen Baumgärtner (CSU) ins Spiel gebracht. "Beim Bahnhofsgelände bin ich am Ball", verspricht er. Seine Hoffnung ist es, "mittelfristig, also in vier bis fünf Jahren", eine Verbesserung zu erreichen.
Die Grenze für solche Maßnahmen ist bei 1000 Umsteigern am Tag festgezurrt. Diese Vorgabe erfüllt der Kronacher Bahnhof. Gleiches gilt für den Staffelsteiner Bahnhof, für den sich Baumgärtner auch einsetzt. Der Haken: Die Bahnhöfe werden der Reihe nach abgearbeitet, und da liegen diese beiden oberfränkischen Haltepunkte relativ weit hinten.
"Ich versuche, Kronach wegen der kommenden Fachhochschule und Staffelstein als touristisches Zentrum vorzuziehen - allerdings ohne andere Kommunen zu benachteiligen, die mehr Umsteiger haben", erklärt der Abgeordnete. Ein schwieriges Unterfangen, da sich auch seine Kollegen aus anderen Regionen mit guten Argumenten für die dortigen Bahnhöfe stark machen. "Aber ich bin zuversichtlich", betont Baumgärtner, an seiner Zielsetzung festzuhalten.
Was die innerstädtische Situation in Kronach angeht, verweist er auf die Unterstützung der Landesregierung bei der Planung. Hier sei die Cranach-Stadt als eine von nur 16 Kommunen in Bayern mit 20 000 Euro unterstützt worden. Weitere Förderungen seien mit Blick auf einen ausgeglichenen Haushalt und explodierende (ungeplante) Ausgaben zurzeit nicht vorgesehen.
Über den kommunalen Finanzausgleich "in Rekordhöhe" könnten aber noch Mittel für Investitionen in den Kommunen fließen. Der Freistaat selbst wolle derweil an seinem Ziel festhalten, seine Behörden als zentrale Anlaufpunkte für die Bürger bis ins Jahr 2023 weitgehend barrierefrei zu machen.