B173 und Schulweg erhitzen die Gemüter im Kreistag Kronach
Autor: Marco Meißner
Kronach, Montag, 22. Februar 2016
Eine Resolution zum Ausbau der Bundesstraße 173 sorgte am Montag für überraschend viel Wirbel im Kreistag - ebenso wie eine weitere Verkehrsanbindung.
Über drei Stunden lief die Kreistagssitzung gestern bereits. Drei ausführliche Vorträge und minutenlange Diskussionen zu den darin behandelten, vermeintlich harmlosen Themen hatten die Sitzung in die Länge gestreckt. Einige Gremiumsmitglieder waren zu dieser Zeit schon parallel dabei, die Nachrichten auf ihrem Handy zu durchforsten oder mit einem Auge die Montagszeitung zu inspizieren. Als sich Edith Memmel (Grüne) zu Wort meldete, hatte sie die Aufmerksamkeit ihrer Kolleginnen und Kollegen jedoch binnen Sekunden auf sich gezogen - und sie fand sich im Kreuzfeuer der Kritik wieder.
Landrat Oswald Marr (SPD) hatte darum gebeten, eine Resolution zum Ausbau der Bundesstraße 173 einhellig zu unterstützen. Die Europäische Kommission habe diesen geplanten Ausbau auf dem Bauabschnitt zwischen Michelau und Zettlitz gerechtfertigt, deshalb solle der Kreistag ein unmissverständliches Signal geben.
Jahrzehnte in der Planung
"An der Fortführung des bereits vor knapp 40 Jahren geforderten und seit über 25 Jahren geplanten ,Frankenschnellwegs‘ muss uneingeschränkt festgehalten werden, da er für den Landkreis Kronach, der über keinen direkten Autobahnanschluss verfügt, die wichtigste Lebensader ist", heißt es in der Resolution. Am Ausbau wollte Edith Memmel gar nicht rütteln. Sehr wohl aber an dessen Form. Sie plädierte wieder einmal dafür, eine 2+1-Lösung statt eines vierstreifigen Ausbaus zwischen Kronach und Lichtenfels ins Auge zu fassen. Die Fahrzeugbelastung spricht ihrer Ansicht nach für die kleinere Variante. Zudem meinte sie, dass diese schneller umsetzbar wäre.Bei der späteren Abstimmung sollte sie dafür die Unterstützung von Matthias Rudolph (Grüne) und Maria Gerstner (Frauenliste) erhalten. Ansonsten erntete ihr Vorschlag wenig Gegenliebe.
Mehrheit will vier Fahrstreifen
Klaus Löffler (CSU) erinnerte an die Millioneninvestitionen der Unternehmen in der Rennsteigregion. Die Firmen bräuchten nun einen vernünftigen Anschluss ans Verkehrsnetz. "Wir müssen jetzt mit einer Stimme ein eindeutiges Signal geben", forderte er. Jürgen Baumgärtner (CSU) wies darauf hin, dass es nicht um Fahrzeugzahlen gehe, sondern um den Anschluss des Wirtschaftsraums: "Die Infrastruktur ist der Garant für die Entwicklung dieser Region." Auch Stefan Wicklein (FW) wies darauf hin, dass die Überwindung von Entfernungen bei diesem Projekt im Brennpunkt stehe. Einen enormen Standortnachteil machte Ralf Pohl (SPD) in der jetzigen Verkehrsanbindung des Landkreises aus.
Bernd Liebhardt (CSU) wünschte sich derweil, dass die politische Wirklichkeit Einzug im gesamten Gremium halten möge. Und Richard Rauh (SPD) war es leid, dass man jetzt erneut das Pferd wechseln soll: "Wir müssen diese unendliche Geschichte endlich zu Ende bringen!"
Maria Gerstner wünschte sich auch einen Fortschritt, allerdings sah sie keinen Vorteil für die demografische Entwicklung in einem autobahnähnlichen Anschluss des Landkreises. In Lichtenfels gebe es trotz der Autobahn Bevölkerungsverluste. Norbert Gräbner und Egon Herrmann (beide SPD) wiesen darauf hin, dass die Verkehrsanbindung in Kronach sehr wohl eine Rolle spiele, wenn es um Abwanderung und Ansiedlung gehe. Peter Ebertsch (CSU) hielt den vierstreifigen Ausbau wegen des Schwerlastverkehrs für unabdingbar. Eugen Geuther (FW) wies darauf hin, dass er froh ist über den bestandsorientiert vorgesehenen Ausbau im Bereich Küps: "Wir sind auf dem richtigen Weg." Oswald Marr erinnerte noch an Beispiele wie den Gottesgarten am Obermain, wo die früher heftige Kritik über den Straßenbau heute längst abgeebbt sei. "Die Nord-Süd-Verbindung ist für alle Menschen wichtig", betonte er. "2+1 ist freilich besser als nix, aber wir wollen doch die beste Lösung", bat er die Skeptiker, über den eigenen Schatten zu springen. Vergeblich. Am Ende blieb es bei besagten drei Gegenstimmen.
Schulverkehr
Noch hitziger wurde die Diskussion, als Thomas Löffler (CSU) unter "Unvorhergesehenes" auf den Stand der Schulweg-Verbesserungen zu sprechen kam.
Der Landrat informierte, dass die Anfrage nach dem Einsatz von Direktbussen ergeben habe, dass die fünf benötigten Busse jährlich 900 000 Euro kosten würden. Deshalb habe man diese Überlegung nicht weiter verfolgt - ebenso wie die Situationsanalyse durch ein externes Büro. Danach hatte Angela Wiegand (CSU) gefragt und auf einen entsprechenden Beschluss hingewiesen. Marr betonte, dass er angesichts der aktuellen Entwicklung im zuständigen Ausschuss erst noch einmal darüber sprechen wollte, statt gleich Kosten zu verursachen, die seiner Ansicht nach vielleicht gar nicht mehr nötig sind. Auf wiederholte Nachfragen fügte er hinzu: "Ich bin doch nicht dazu da, um Beschlüsse blind umzusetzen."
Jürgen Baumgärtner kritisierte nun, dass die Verwaltung zu wenig tue. Und die SPD stelle sich inzwischen kollektiv gegen die gemeinsam beschlossene Idee. Diesen Vorwurf wies Richard Rauh erbost zurück. Bernd Liebhardt meinte, bei der Beauftragung des Büros gehe es um "smartere Lösungen", welche die Verwaltung auf Grund ihrer Arbeitsbelastung wohl gar nicht auftun könne.
Abruptes Ende
Derweil wies Marr den Vorwurf von Gerhard Rentsch (CSU) zurück, in den vergangenen zwei Jahren habe sich nichts getan. Gerade beim Bahnverkehr habe sich die Lage entspannt, betonte der Landrat. Norbert Gräbner (SPD) möchte auch kürzere Schulwegzeiten erreichen. Bei den angestrebten maximal 60 Minuten müsse aber auch die Wartezeit einbezogen werden.
Dann beantragte Stefan Wicklein, die Diskussion zu beenden und das Thema, das gar nicht auf der Tagesordnung stand, nicht im Streit zu zerreden. "Dafür ist es ein viel zu wichtiger Punkt", stellte er fest. Die Mehrheit des Gremiums pflichtete ihm bei.
Kommentar von Marco Meißner
Überzeugte Überzeuger
Politik kann ein hartes Brot sein. Manchmal ist sie aber auch weich, so weich wie ein Kaugummi. So war es in der gestrigen Sitzung: ellenlange Diskussionen über Sachvorträge, die im Wesentlichen der Kenntnisnahme dienten. Der aneinander gereihte Dreierpack dieser Vorträge fraß schon ohne Zwischenrufe gut eineinhalb Stunden auf. Das veranlasste sogar Angela Wiegand (CSU) dazu, laut über eine 20-Minuten-Zeitbegrenzung für derlei Informationsfluten nachzudenken. Einige ihrer Ratskollegen griffen hingegen lieber zur Tageszeitung, um sich über die Nominierung des SPD-Landratskandidaten zu informieren, oder sie schmökerten auf dem Handy.
Dann wurden die Kreisräte in ihrer Gesamtheit aufgeschreckt. Dass ausgerechnet durchgekaute Themen dafür sorgten, die Unterkiefer der Gremiumsmitglieder energisch in Bewegung zu versetzen, verwundert doch. Jeder weiß, wo die Grünen in der Diskussion um den Bundesstraßenausbau stehen. Diese wiederum wissen nach jahrelanger Diskussion über die B 173 genau, dass sie ihre andersfarbigen Kollegen nicht mehr auf ihre Seite ziehen werden. Warum also nicht eine Stellungnahme abgeben, die Gegenmeinung hören und dann abstimmen? Warum müssen sich ein Dutzend Redner zu Wort melden, um letztlich das Gleiche zu sagen, das schon tausendmal gesagt ist? Beide Seiten hoffen unablässig, dass die andere doch mal über ihren Schatten springt.
Doch beide müssten wissen, dass die politische Realität in dieser eingefahrenen Thematik anders aussieht. Vermutlich wird diese (ermüdende) Überzeugungsarbeit aber weiterhin wie ein Kaugummi am Kreistagsstiefel kleben.