Druckartikel: Angst um die Verwandten

Angst um die Verwandten


Autor: Karl-Heinz Hofmann

Pressig, Montag, 31. August 2015

Hasan und Zeynep Dag blicken von Pressig mit Sorge auf die Vorgänge in der Türkei.
Hasan und Zeynep Dag werden nachdenklich - hier in ihrem Lokal -, wenn sie ihre Urlaubsfotos aus der Türkei anschauen. Foto: K.- H. Hofmann


Viele träumen und schwärmen vom Urlaub in Antalya oder anderen Urlaubsorten am türkischen Mittelmeer. Von gemischten Urlaubsgefühlen erzählt hingegen Hasan Dag aus Pressig, der für vier Wochen seinen Geburtsort Erzincan im Osten der Türkei aufsuchte.

Hasan Dag ist in der Türkei geboren und kam als Dreijähriger in den Frankenwald nach Steinbach am Wald, wo Vater und Mutter einen Arbeitsplatz hatten. Obwohl Hasan Dag schon lange mit seiner Familie (Ehefrau Zeynep und Sohn Volkan) die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, besucht man einmal jährlich im August für vier Wochen den Geburtsort von Hasan Dag, Erzincan und natürlich auch die Eltern von Ehefrau Zeynep, die in der Millionenmetropole Istanbul wohnen.

Vor Urlaubsantritt warfen Ereignisse in der Türkei ihre Schatten voraus, die den alevitischen Kurden (wie sich Hasan Dag selbst bezeichnet), skeptisch werden ließen.

Nach den Neuwahlen in der Türkei im Juni dieses Jahres, bei der Ministerpräsident Erdogan seine absolute Mehrheit verlor, traten Unruhen und Spannungen im Land auf. Dies konnte man teils auch im deutschen Fernsehen verfolgen, intensiver waren die Nachrichten allerdings auf türkischen TV- Sendern und in türkischen Printmedien.

Die prokurdische Partei (sie setzt sich aus 40 Zivilorganisationen und Parteimitgliedern zusammen) erhielt über 13 Prozent der Wählerstimmen und dies tat Erdogan weh, sagt Hasan Dag unverblümt. Und schon nach der Landung ihres Flugzeugs in Istanbul merkte das Ehepaar Dag mehr Polizeipräsenz als sonst.

Wie immer mietete man ein Auto, um den weiten, beschwerlichen Weg von 1000 bis 1200 Kilometern über Landstraßen von Istanbul bis in den Osten nach Erzincan (im Hochland von Ostanatolien über 2000 Meter hoch gelegen) anzutreten.

Je weiter es in den Osten ging, umso mehr wurden Militär und Militärfahrzeuge gesehen. Hier herrscht Krieg, sagt Hasan Dag mit trauriger Stimme. Schließlich wohnen seine mittlerweile in Rente gegangenen Eltern und Verwandtschaft alle hier. Dieser "Krieg" war auch täglich Thema während der Urlaubstage. Nur 100 Kilometer entfernt befinde sich ein Brandherd, in dem befänden sich auch befreundete Familien, die ebenfalls im Frankenwald leben und in Urlaub gefahren waren.

Hasan Dag: "Sie haben uns hier noch im Ort besucht und mussten dann weiter ins Kriegsgebiet, seither haben wir leider nichts mehr voneinander gehört. Die Kommunikation über Handy oder Internet ist ausgeschlossen, dort herrscht zudem Ausgangsverbot." Überhaupt sei in über 100 Gebieten (Bezirken, Regionen) der Ausnahmezustand ausgerufen.

Um zu verdeutlichen, wie ernst die Lage sei, nennt Hasan Zahlen von offiziellen Angaben des türkischen Militärs. So habe es bisher über 1000 Menschenleben zu beklagen gegeben, davon 70 Sicherheitskräfte, 80 Zivilisten und 900 kurdische Milizangehörige. "80 Prozent der Menschen" aus seinem Umkreis meinten, der Krieg sei von Erdogan gewollt, der versuche so die nächsten Wahlen zu gewinnen.


Angst um die Verwandten

Gegenüber den Vorjahren habe sich das Lohnniveau und die daraus resultierende Kaufkraft für Arbeiter deutlich verringert. Im Schnitt verdienten Arbeiter nur noch 500 Euro, das reiche längst nicht mehr zum vernünftigen Leben. Ein weiteres Problem sind circa 2,5 Millionen Flüchtlinge, die aus Syrien in die grenznahen Gebiete in die Türkei geflüchtet seien.

Mit Wehmut schauen Hasan und Zeynep Dag die Urlaubsfotos aus dem diesjährigen Augusturlaub an. Sie deuten auf ihre Familien, Bekannten und Verwandten, die es im Hochland Ostanatoliens sehr schwer hätten. Die Familie habe Ängste und mache sich Sorgen um das Leben ihrer Verwandten.

Was kann helfen? Hasan Dag, der auch in Deutschland in mehreren Vereinen engagiert ist und außerdem Besitzer eines Döner-Imbisses mit Gastwirtschaft in Pressig ist, weiß, wovon er spricht. Seine Hoffnung und Erwartung baut auf Frieden. Eine Lösung könne nur im Dialog gefunden werden. Der Wunsch der Bevölkerung in der Türkei rufe nach einer friedlichen Lösung.

Hasan Dag glaubt nicht, dass Neuwahlen dieses elementare Problem lösen werden. Dieser Urlaub bleibt in fader Erinnerung und mit Besorgnis und Ängsten blicken die Dags auf die weiteren Vorgänge in der Türkei. "Für uns war dies ein ganz anderer Urlaub als sonst und wir sind froh, wieder in Deutschland zu sein." Beide haben den Frankenwald und seit vergangenem Jahr besonders Pressig zu ihrer Heimat erkoren.

Sie finden es sehr bedauerlich, dass es in der Türkei zu solch einer politischen Krise habe kommen können. Die Menschen geben sich aufgeschlossen für Europa, sie zeigen Fotos einer Hochzeitsfeier aus dem Geburtsort von Hasan, keiner sei hier verschleiert, alle sind modern nach mitteleuropäischen Standards gekleidet. Die Gastfreundlichkeit ist geblieben, auch wenn täglich die Angst umhergeht, denn Sicherheit ist in dem Kriegszustand leider nicht mehr da, bedauern Hasan und Zeynep Dag.