Druckartikel: An wehrloser Bewohnerin vergangen - Bewährung

An wehrloser Bewohnerin vergangen - Bewährung


Autor: Katja Nauer

Kronach, Mittwoch, 14. Januar 2015

Ein 72-Jähriger aus dem Landkreis Kronach hat sich an einer im Wachkoma liegenden Frau sexuell vergriffen. Der Mann, der an vaskulärer Demenz leidet, erhielt dafür eine Bewährungsstrafe.
Das Landgericht in Coburg verurteilte einen 72-Jährigen zur Bewährungsstrafe. Foto: Archiv


Weil er an einer im Wachkoma liegenden Frau sexuelle Handlungen begangen hatte, musste ein Altenheimbewohner aus dem Landkreis Kronach vor dem Landgericht Coburg erscheinen.

Der 72-Jährige wohnte vier Zimmer von der Frau entfernt. In einer Nacht im April 2014 überraschte ihn die Nachtschwester bei dem Übergriff auf die wehrlose Frau und informierte ihre Chefin. Noch in derselben Nacht wurde der Mann, der an vaskulärer Demenz leidet, in ein anderes Stockwerk verlegt. Da der aus dem Landkreis Kronach stammende 72-Jährige nicht mehr in der Lage ist, sich um seine Belange zu kümmern, ordnete das Amtsgericht Kronach eine Betreuung durch seine Tochter an.

Der äußerst schwerhörige Angeklagte, für den seine Anwältin die Fragen des Gerichts oft noch einmal wiederholen musste, äußerte sich vor Gericht nicht. Stattdessen verlas seine Anwältin eine Erklärung: Demnach erinnere sich ihr Mandant nicht mehr genau an die Abläufe der Nacht. Er sei lediglich in das Zimmer einer Bewohnerin gegangen, um sie sich anzugucken. Jedwede sexuelle Übergriffe streite er ab.


Zurückgezogener Einzelgänger

Die Altenpflegerin, die in der Nacht Dienst hatte und als Zeugin geladen war, erinnerte sich noch genau an den Vorfall. Sie gab an, dass sie den Angeklagten bei eindeutigen sexuellen Manipulationen an der wehrlosen Patientin, die auf intensivste Pflege angewiesen ist, beobachtet habe. Ihre Chefin bezeichnete den Angeklagten als sehr zurückgezogenen Einzelgänger, der nicht von sich aus den Kontakt suche. Natürlich sei der Mann, der viele Krankenhausaufenthalte hinter sich und seit seiner Einlieferung im Jahr 2013 körperlich und geistig abgebaut habe, auch befragt worden, erklärte sie. Auf Grund seiner Herzkrankheit sei dies jedoch abgebrochen worden. Als sie den 72-Jährigen im Aufzug zurück zu seinem Zimmer begleitet habe, habe er ihr gestanden, einen Fehler gemacht zu haben. Der Mann sei am Folgetag noch einmal verlegt, engmaschige Kontrollen seien angeordnet worden.

Sachverständiger Detlev Blocher von der forensischen Psychiatrie in Würzburg konnte eine Wiederholungstat nicht ausschließen. "Es gibt noch einen gewissen Aktionsradius", sagte er, "und potenzielle Opfer stehen immer noch zur Verfügung". Er bescheinigte dem Angeklagten Kronacher eine krankhafte seelische Störung. Strafrechtlich sei er, auch auf Grund einer Durchblutungsstörung im Gehirn, nicht mehr voll verantwortlich und damit schuldunfähig.

Staatsanwalt Michael Imhof hielt fest, dass die Geschehnisse unstrittig seien. "Der Angeklagte hat in seinem schuldunfähigen Zustand eine ganz erhebliche Tat begangen", sagte er. Als Strafe forderte Imhof eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, die allerdings zur Bewährung ausgesetzt werden solle.


Risiko verringert

Verteidigerin Julia Gremmelmaier bezweifelte, ob die Nachtschwester in dem kurzen Moment wirklich habe feststellen können, dass es zu einem sexuellen Übergriff gekommen sei. Weiterhin sei das Risiko von eventuellen Wiederholungstaten in dem Altenheim bereits mit einfachen Mitteln signifikant verringert worden, stellte sie fest. Eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erachtete sie als nicht notwendig.

Das Gericht ordnete schließlich eine Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt an, allerdings mit einer Bewährungszeit von drei Jahren. Der Angeklagte solle weiterhin - wie von ihm auch gewünscht - in seinem Altenheim bleiben, sagte Richter Gerhard Amend. Die Gefahr weiterer Taten müsse allerdings unterbunden werden: Der 72-Jährige darf die Zimmer weiblicher Mitbewohnerinnen nur noch unter Aufsicht des Personals betreten. "Es gibt noch eine Sexualität im Alter", sagte Richter Gerhard Amend zum Angeklagten, "die ist bei Ihnen vorhanden."

Info:
Als vaskuläre Demenzen bezeichnet man solche Formen der Demenz, die sich aufgrund von Durchblutungsstörungen im Gehirn entwickeln. Nach Alzheimer sind vaskuläre Demenzen die zweithäufigste Form der Demenz.