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"Amerla" ist die neue Maßeinheit


Autor: Michael Wunder

Kronach, Sonntag, 24. April 2016

In Kronach wurde erklärt, warum man hier für den 500. Geburtstag des Reinheitsgebotes nur ein müdes Lächeln übrig hat - und vieles andere mehr.
Tino Vetter stellte das "Amerla" als neue Maßeinheit vor. Foto: privat


Welch dunkle Gestalt schleicht in dunklen Vollmondnächten durch die Obere Stadt und was führt sie im Schilde? Und was hat es mit dem Jungbrunnen beim Rathaus auf sich ? Der Viertelmeistertag am Freitagabend warf einige Fragen auf. Zudem wurde das "Amerla" als neue Kronacher Maßeinheit vorgestellt.
Am Melchior-Otto-Platz stellte Viertelmeister Stefan Wicklein klar, dass die Kronacher in den wirklich wichtigen Dingen des Lebens ihrer Zeit schon immer weit voraus waren. Etwa beim Reinheitsgebot. "Ganz Bayern feiert morgen den 500. Geburtstag des Reinheitsgebotes. Ganz Bayern? Nein! Ganz oben im Norden des Hochstifts Bamberg ist ein kleines trinkfreudiges Völkchen, bestehend aus Bürgern Handwerkern und Soldaten der unterschiedlichsten Gruppierungen, welchem der 500. Geburtstag des Reinheitsgebotes nur ein müdes Lächeln abringt" , führte Stefan Wicklein aus.

Fürstbischof Heinrich II., Großer von Trockau, sei es gewesen, der 27 Jahre vor Herzog Wilhelm IV. von Bayern an 12. Oktober 1489 zum Einbrauen des Bieres folgendes verfügte: "Beim Einsieden nichts denn Hopfen, Malz und Wasser zu nehmen".


Freiwillige auf dem Trageholz

Stefan Wicklein gratulierte den Altbayern zu ihrem weisen Entschluss, das Reinheitsgebot der Bamberger nach 27 langen Jahren auch für ihr Territorium anzuwenden. Zudem habe Kronach wohl eine der ersten Lebensmittelüberwachungen nachzuweisen, denn da habe es die Viertelmeister, zu deren vielfältigen und verantwortungsvollen Aufgaben auch die Aufsicht über das Brauwesen gehörte, gegeben. Ihnen oblag es, das fertige Bier durch eine eingehende Prüfung zu beurteilen. Im Anschluss setzte sich der Zug hoch zur Festung in Bewegung. Ein Zwischenstopp wurde beim Kunigunden-Maß-Ehrenmal eingelegt. Dort wurde eine Freiwillige auf dem Trageholz des Fasses zum Ehrenmal gehoben, dem sie einen Kranz aufsetzte.
Auch unterhalb des Rathauses machte man Halt. Dort stellte Viertelmeister Jens Schick seinen Kollegen Stefan Wicklein zur Rede. Er vermutete, dass sich der einzige Jungbrunnen auf der Erdscheibe an dieser Stelle befinde und er warf Wicklein vor, das Geheimnis des Jungbrunnens zu kennen. "Gefühlte vier Generationen übt er schon sein Amt aus. Ist Viertelmeister Wicklein älter geworden? Nicht einen Tag, vielleicht gewichtiger, aber älter sicherlich nicht", fragte Jens Schick die Anwesenden und überhörte dabei geflissentlich die vielen "Jas" aus der Menge. Jens Schick argwöhnte, dass der Jungbrunnen auch der Grund sei, warum Wicklein ständig das Viertelmeisterrennen gewinne. Fakt sei, so Jens Schick, der Viertelmeister II kenne das Geheimnis des Jungbrunnens. Doch auch ihm, so Jens Schick, sei dieses Geheimnis nicht länger verborgen.
Nachdem sich Gerüchte häuften, dass immer wieder nachts eine Gestalt durch das Viertel husche, habe er sich auf die Lauer gelegt. Er habe über die Monate herausgefunden, dass es sich dabei um den Viertelmeister II handele. Sein Ziel in den Vollmondnächten zu mitternächtlicher Stunde sei der Brunnen am Rathaus gewesen. Dort habe er immer für eine Stunde Wasser gezapft und nach Hause geschafft. Von diesem Wasser habe er sich Bier brauen lassen - Jungbrunnenbier. Stefan Wicklein beteuerte seine Unschuld. Er habe das Wasser nur vorsorglich beiseite geschafft, um im Brandfall gewappnet zu sein.
Doch die Anwesenden schenkten seinen Ausführungen keinen Glauben. Im Gegenteil - Jens Schick hatte es geschafft, ein Faß Jungbrunnenbier zu ergattern, das an Ort und Stelle angestochen und bis auf den letzten Tropfen getrunken wurde. Mit dem Wunderbier gestärkt ging es weiter hoch zur Festung wo die Bestallung der Viertelmeister vorgenommen wurde.


"Baukräne verschwunden"

"Die Kasse ist leer, der Kastner ist manchmal voll", wies Kastner Richard Chalupa zunächst auf einen wirklich bemerkenswerten Zustand hin.
Danach wussten die Viertelmeister viel Neues zu vermelden. Jürgen Ditsche erklärte, dass die Baukräne in der Oberen Stadt verschwunden seien und freute sich über die gelungene Renovierung des "Pfarrhofs". Über das "kleinste und schönste" Viertel berichtete Stefan Wicklein. Er freute sich, dass, nachdem fast alle Häuser hergerichtet seien, nun die Plätze und Wege an die Reihe kommen und der Platz beim Stoochenturm in ein Kleinod verwandelt werde. Kein Wort verlor er zum Ausgang des Viertelmeisterlaufs. Jens Schick bat den Bürgermeister und seinen Magistrat darum, den Jungbrunnen zu sichern und vor Vergiftung zu schützen. Große Toleranz bewies das Kronacher Volk im Anschluss, denn auch Viertelmeister Markus Steller durfte vortragen, obwohl er seinem Broterwerb mittlerweile in Coburg nachgeht. Er freute sich, dass es immer mehr Geschäfte in seinem Viertel gebe. Da man sich zufrieden mit den Viertelmeistern zeigte, dürfen diese ihr Amt für ein weiteres Jahr versehen. Oberbürgermeister Wolfgang Beiergrößlein nahm den Viertelmeistern den Eid ab.
Viel Lob gab es für Bräu Thomas Kaiser, der ein vorzügliches Bier braue. Zudem habe er sich kürzlich in den Ehestand begeben. Zum Abschluss stellten Bräu Thomas Kaiser und Tino Vetter auch eine neue Maßeinheit, das "Amerla" vor. So habe es früher die Maßeinheit "Kronicher Amer" mit 72 Litern gegeben. Der 64. Teil davon, die Kunigundenmaß mit 1,125 Liter sei von dieser Maßeinheit abgeleitet. Da ein Amer mit 72 Litern für eine Person nur schwer zu heben sei, habe man sich für das "Bräuknecht-Amerla" mit 0,72 Litern, also den hundersten Teil eines Kronicher Amers, entschieden. Für die Damen gebe es das "Kronicher Wirtsweibsamerla" mit 0,36 Litern. red