Als Frau in einer Männerdomäne voll akzeptiert
Autor: Heike Schülein
Steinberg, Mittwoch, 30. März 2011
Sandra Grieshammer aus Steinberg absolvierte als erste und bislang einzige Frau im Landkreis die Atemschutzgeräteausbildung. Sie ist zudem die einzige Frau im Kreis, die im Atemschutz mit ausbildet.
Immer mehr Frauen sind auf den roten Einsatzwagen unterwegs, löschen Brände und retten Unfallopfer. Aber an einen aufwendigen Bereich mit besonderer Ausbildung, den Atemschutz, wagen sich nur die wenigsten von ihnen heran. Sandra Grieshammer ist dagegen nicht "nur" Atemschutzgeräteträgerin und Atemschutzgerätewartin, sondern sie unterrichtet auch auf Landkreisebene im Atemschutz.
Eine zierliche Frau eilt zum Gerätehaus Steinberg. Ein Händedruck von Sandra Grieshammer verrät, dass hinter ihrem Erscheinungsbild Kraft steckt.
Die 34-Jährige schlüpft in ihre Atemschutzkleidung. Innerhalb kürzester Zeit steht sie da in ihren Stiefeln, ihrer Schutzhose und Atemschutzüberjacke. Sie trägt Handschuhe, Helm, Flammschutzhaube und ihre Atemschutzmaske. Zur Ausrüstung gehören eine Helm- oder Handlampe, eine Feuerwehrleine und ein Feuerwehrbeil.
Schon als Kind begeisterte sie sich für die Feuerwehr. "Ich habe immer ,Grisu - der kleine Drache‘ im Fernsehen geschaut", sagt sie lachend. Als 2003 Steinbergs Frauenfeuerwehr ins Leben gerufen wurde, ging sie zur Gründungsversammlung. "Ich habe mich als Erste gemeldet. Zwei weitere Damen stießen an dem Tag ebenfalls dazu. Heute sind wir zu neunt", meint sie.
Zweifache Mutter
Die Mutter zweier Mädchen begreift die selbst gestellte Aufgabe, anderen Menschen zu helfen, als Herausforderung. Sie belässt es aber nicht beim Grundlehrgang. Wenn ihr Melder sie zu jeder Tages- und Nachtzeit von der Arbeit oder aus dem Bett holt, kann die gelernte Kinderpflegerin an vorderster Front mit ihren männlichen Kameraden gegen das Feuer kämpfen. Dafür hat sie seit 2003 sieben Ausbildungen mitgemacht. 2004 absolvierte sie ihren Truppführer-Lehrgang und nahm zusätzlich am Leistungsmarsch in Nordhalben teil. 2005 ließ sie sich zur Maschinistin ausbilden, weil sie, wie sie sagt, schon immer Feuerwehrautos liebte und fahren wollte.
"Als unser Atemschutzgerätewart aufgehört hat, fragte mich unser Kommandant, ob ich dessen Nachfolgerin werden wolle. Ich habe mich sehr über dieses Vertrauen gefreut und spontan zugesagt. Damals hatte ich keine Ahnung, was auf mich zukommt", gesteht die Feuerwehrfrau. Bevor sie Atemschutzgerätewartin werden konnte, musste sie sich zur Atemschutzgeräteträgerin ausbilden lassen. Beide Lehrgänge besuchte sie 2005.
"Ich mag alle Tätigkeiten bei der Feuerwehr. Am meisten Spaß macht mir aber der Atemschutz", sagt sie begeistert und ergänzt: "Es gibt im Landkreis einige Damen im Atemschutz, aber nur mich mit Atemschutzgeräteausbildung. Da hat sich noch niemand herangetraut." 2010 ließ sie sich zur Gruppenführerin und zur Leiterin Atemschutz ausbilden. Ende 2010 absolvierte sie den Fachteil "Ausbilderin für Atemschutzgeräte- träger" - ebenfalls einzigartig für eine Frau im Landkreis. Auf Landkreisebene engagiert sie sich bereits seit zwei Jahren aktiv in der Atemschutzausbildung.
In der Steinberger Wehr fühlt sie sich voll integriert. "Ich habe mich anfangs gefragt, ob ich akzeptiert werde. Schließlich sage ich Männern, die bereits 20 Jahre aktiven Dienst leisten, im Bereich Atemschutz, wo es lang geht. Aber da gibt es keine Probleme", freut sie sich.
Gleiche Anforderungen
Einen Unterschied zwischen Männern und Frauen im aktiven Feuerwehrdienst sieht sie, wenn überhaupt, nur bei der Körperkraft. "Ich verstehe, wenn eine Frau sagt: ,Atemschutz, das ist nichts für mich.‘ Man muss schon fit sein, denn neben dem schweren Atemschutzgerät, der warmen Feuerwehrkleidung und der Ausrüstung kommt auch noch die Hitze des Feuers dazu. Man kommt schnell an seine Grenzen. Aber das gilt auch für einen Mann. Ein Mann, der nicht fit ist, schafft das auch nicht", ist sie sicher.
Regelmäßige Kontrollen der Fitness und Ausdauer seien vorgeschrieben sowie mit gleichen Anforderungen an Männer und Frauen versehen. "Es wird kein Unterschied gemacht. Ich muss also in voller Montur dieselbe Leistung erbringen wie Männer, die stärker sind", berichtet sie.
Mittlerweile hat sie ihre Familie mit dem Feuerwehr-Virus angesteckt. "Mein Mann ist durch mich zur Feuerwehr gekommen. Er hat mich von Anfang an unterstützt. Auch meine zwölfjährige Tochter wollte von sich aus zur Wehr. Meine andere Tochter ist zehn. Sie soll selbst entscheiden", sagt Sandra Grieshammer.
Jeder und jede wird gebraucht
Sie fühlt sich nicht als Vorzeigefrau. "Ich möchte aber Frauen ermutigen, es zu versuchen. Die Herausforderung ist groß, aber machbar. Ich habe es ja auch geschafft", appelliert sie und ergänzt: "Bei der Feuerwehr wird jeder gebraucht. Jeder soll sich so einbringen, wie er es möchte oder kann. Für mich sind alle Feuerwehrleute Helden - egal wie viele Ausbildungen oder Auszeichnungen sie haben."
Ein Scheunenbrand in Gifting im Jahr 2005 ist ihr besonders in Erinnerung geblieben: "Damals war ich an der Tragkraftspritze. Die Besitzerin kochte Kaffee in der Küche. Als sie zu weinen begann, beruhigte und tröstete ich sie. Ich glaube, dass das Frauen vielleicht leichter fällt. Ich werde nie den dankbaren Blick vergessen", erklärt sie noch heute sichtlich gerührt. Überhaupt sei Dankbarkeit ihr schönster Lohn und nicht mit Geld aufzuwiegen. "Ich möchte einfach helfen und niemand von denen sein, die wegschauen. Das ist mein Antrieb. Daher werde ich weitermachen, solange ich kann. Außerdem kann es ja auch sein, dass ich einmal selbst die Hilfe der Feuerwehr benötige."