Druckartikel: Als das Warenlaufband noch ein Tresen war

Als das Warenlaufband noch ein Tresen war


Autor: Marian Hamacher

LKR Kronach, Mittwoch, 11. Oktober 2017

Wer einkauft, geht zum Supermarkt - vor rund 60 Jahren war das noch anders. 16 Lebensmittelhändler führte das Branchenbuch damals auf.
Auf dem Kronacher Marienplatz konnten Kunden im "C Markt" einkaufen. Foto: Stadtarchiv Kronach


Aus Städten sind die sogenannten Tante-Emma-Läden weitestgehend verschwunden - aus den Kinderzimmern noch lange nicht: Für Eltern, die auf der Suche nach Spielzeug für ihren Nachwuchs sind, hat der Online-Versandhändler Amazon eigens die Unterkategorie "Kaufläden & Zubehör" eingeführt.

Eingerahmt von einem Schneidebrett - das ebenso aus Plastik besteht wie das mitgelieferte Messer und Gemüse -sowie Holz-Hundefutter für die Stofftiere, wartet dort auf Platz 50 der 100 beliebtesten Spielzeuge der erste Kaufmannsladen. Komplett in Weiß gehalten, aber ansonsten wie ihn wohl jeder aus der eigenen Kindheit kennt: Vorne ein Verkaufstresen mit Tafel, auf der das Angebot des Tages notiert werden kann und auf der Rückseite in drei Regalen jede Menge Platz für Plastik-Lebensmittel.

Doch ob den damit spielenden Kindern noch bewusst ist, dass so tatsächlich einmal für den täglichen Bedarf eingekauft wurde? Dass eine Bedienung hinter sich griff, um die benötigte Menge an Salz, Mehl oder Zucker abzumessen und gleich in den mitgebrachten Korb zu packen? In Zeiten starker Supermarktketten, die voll auf Selbstbedienung setzen, sicher nicht selbstverständlich.


Wer die Entscheidungen traf

Ingeborg Helbig hat in solchen Geschäften nicht nur eingekauft, sondern sogar verkauft. Als 16-Jährige begann die Kronacherin 1953 in der Oberen Stadt beim Lebensmittelgeschäft "Backdie" in der Lucas-Cranach-Straße eine Ausbildung als Einzelhandelskauffrau. "Damals mussten wir noch einen Beruf ergreifen, der gerade verfügbar war", erinnert sie sich. "Das war nicht so wie heute. Da haben die Eltern noch gesagt, was wir machen sollen."

Handelswaren wie sie in Supermärkten nur wenige Meter von Lebensmitteln entfernt liegen, waren im "Backdie"-Sortiment nicht zu finden. Schließlich gab es die gleich in der Nachbarschaft. "Bei uns gab es nur Lebensmittel", sagt Helbig. Was nicht bereits verpackt war, wurde aufs Gramm genau in braune Papiertüten abgefüllt. "Mit der Zeit hatte man die Menge dann im Gefühl", erzählt Helbig und muss beim Blick in die Vergangenheit leicht schmunzeln.

Drei Jahre blieb Helbig nach der Lehre ihrem Ausbildungsbetrieb treu, ehe sie bei ihrem Mann Dieter im "Hotel Sonne" einstieg. Alleine in der Kreisstadt waren in dieser Zeit 16 Lebensmittelläden im Branchenbuch eingetragen. Das hat sich längst geändert: Selbst für den kompletten Landkreis sind die Einträge inzwischen an zwei Händen abzuzählen - mit einigen Filialen großer Supermarktketten darunter.


Deutschlands erster Supermarkt

Zu bröckeln begann das "Tante-Emma"-Prinzip bereits in den sechziger Jahren. Offenbar angestoßen vom Kaufmann Herbert Eklöh. Er gilt als der erste Lebensmittelhändler, der in Deutschland voll auf Selbstbedienung und Warenvielfalt setzte. In der Gestaltung seines Lebensmittelladens, den er am 26. September 1957 in der Kölner Rheinlandhalle eröffnete, ließ er sich von Experten aus den USA beraten. Waren andere Läden zwischen lediglich 200 und 300 Quadratmetern groß, verteilte er sein Warenangebot auf einer Fläche von 2000 Quadratmetern.

Welcher Supermarkt aber wagte sich als erster nach Kronach? "Das müsste eigentlich der Tengelmann in der Rosenau gewesen sein", vermutet Helbig. Ganz sicher sei sie sich jedoch nicht. Sie liegt jedoch richtig. Im November 1963 öffnete eine Tengelmann-Filiale in der Rosenau ihre Pforten, ist aus dem Einwohnermeldeamt zu erfahren. Im März 1990 erfolgte ein Umzug in den Hammermühlweg 12, in dem zuletzt das Modegeschäft Vögele beheimatet war. Ab dem 30. April 1992 gehörte Tengelmann nicht mehr zum Kronacher Stadtbild.

Deutlich früher als Tengelmann war "Konsum" in der Lucas-Cranach-Stadt zu finden, doch in dem genossenschaftlichen System wurde noch auf Bedienungsläden gesetzt. Hauptstelle war lange Jahre das Geschäft am Hammersteig.


Eine Trendwende?

Und heutzutage? Länger haltbare Lebensmittel sind außerhalb der Supermärkte noch in einigen Bäckereien oder Geschäften wie dem Kerzenhaus Nadler zu finden. Bei frischen Produkten wird es dagegen schon schwierig. Zuletzt schloss der "Obst- und Gemüsemarkt Eberhardt" - nach über 60 Jahren.

Vielleicht sind "Tante-Emma-Läden" zukünftig aber auch außerhalb von Kinderzimmern wieder zu finden. In Bamberg etwa eröffnet bald ein "Unverpackt"-Geschäft, in dem Waren in mitgebrachte Gläser abgefüllt werden. Alles unter dem Gedanken des Umweltschutzes, fällt doch ohne Verpackung kein unnötiger Plastikmüll an.

Ingeborg Helbig würde sich freuen, wenn es bald wieder mehr Einkaufsmöglichkeiten außerhalb von Supermärkten gäbe. "Nicht jeder hat ein Auto, daher wäre das schon schön", findet sie. "Aber dann muss man da natürlich auch regelmäßig einkaufen. Nur mal schnell hingehen, wenn man im Supermarkt etwas vergessen hat, geht natürlich nicht."