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AfD: Bei der Asylpolitik brechen die Dämme


Autor: Marco Meißner

Kronach, Montag, 16. Mai 2016

Bei einem Stammtisch des AfD-Kreisverbandes in Kronach blieben Diskussionen nicht aus.
Symbolbild: dpa


Eine Handvoll Mitglieder hat es sich in einem Nebenzimmer beim "Appel's Max" bequem gemacht. Nach und nach tröpfeln weitere ein. Auch Gäste kommen in die Runde. Hier steht eine Apfelschorle, dort ein Radler, einen Platz weiter wird eine Currywurst serviert. Man könnte meinen, an einem ganz normalen Stammtischtreffen teilzunehmen. Aber das ist es nicht. Hier trifft sich der AfD-Kreisverband Coburg/Kronach. Und schon das Vorspiel dazu fällt aus dem gewohnten Rahmen.

Der Wirt, Jürgen Stark, schimpft. Er sei Gastronom und keiner Partei zugehörig. Er versuche jeden Gast gleich zu behandeln. Deshalb hat er auch der AfD Raum in seiner Gaststätte gewährt, wo vor Kurzem zum Beispiel noch die SPD getagt hatte. Die Folgen: am Morgen ein Misthaufen mit einem Schmähschild vor der Tür, dann noch ein Shitstorm im Internet hinterher. Und die Polizei habe keine Zeit gefunden, sich den Schlamassel vor Ort anzusehen, meint er enttäuscht.


In Rage

Die Versammelten bringt das in Rage. Vorsitzender Volker Leicht wettert über die Vorwürfe gegen den Kreisverband, politisch zumindest braun angehaucht zu sein: "Wir kommen ja gar nicht aus der Politik. Wir sind aber in eine Ecke reingedrängt worden." Er berichtet dann in nüchternem Ton vom jüngsten Parteitag. Die Rede ist dabei auch von einem Konterkarieren des "basisdemokratischen Wirkens" der AfD, weil die Medien diese Veranstaltung falsch deklariert hätten.

Einer der interessierten Zuhörer, "eigentlich ein tief Schwarzer", mischt sich immer wieder ein. Er redet davon, dass sich etablierte Politiker und Medien zu Lasten der AfD die "Fleischbrocken zuschmeißen". Früher habe man den Erfolg der Grünen nicht verkraftet, heute vertrage "die herrschende Klasse" die AfD nicht, spekuliert er vor dem nun 15-köpfigen Stammtisch.


Diskussion hinterfragt

Ein Mitglied hinterfragt plötzlich die Diskussionen beim Parteitag über das Grundsatzprogramm. Der Mann will wissen, warum soziale Themen offenbar nur die zweite Geige gespielt haben, dafür reichlich über Minarette diskutiert worden sei. "Die Partei wird von den kleinen Leuten gestützt", gibt er zu Bedenken. Die AfD solle daran denken, wo ihre Wähler herkommen, und die Themen aufgreifen, die wirklich unter den Nägeln brennen.
Nach etwa einer halben Stunde hat es den Anschein, dass die AfD letztlich mit dem gleichen Wasser kocht wie andere Parteien in der Opposition auch. Es wird kritisiert, ein wenig polemisiert und über die eigene Ausrichtung philosophiert.

Doch was ist mit der angeblichen Rechtslastigkeit der AfD? "Wir sind die Partei mit den meisten integrierten Migranten", betont Schatzmeister Wilfried Hein. Er selbst bezeichnet sich sogar als "radikal liberal". Als ein Zuhörer nachfragt, warum die AfD denn nicht geschlossen ihre Distanz zur rechten Gewalt artikuliere, meint Hein, dass man durch eine solche Verlautbarung überhaupt erst eine Affinität dazu ausdrücken würde.
"Wir haben momentan eine demokratische Diktatur. Die wollen uns fern halten, aber das wird ihnen nicht mehr lange gelingen", prophezeit derweil ein Zuhörer Veränderungen in der politischen Machtstruktur. Und der FT-Reporter wird zwischendurch aufgeklärt, dass sich die Kritik der Zeitung doch vorrangig gegen die Regierenden richten sollte.

Neues Thema: Zweiter Vorsitzender Martin Böhm zeigt in der Flüchtlingsfrage Verständnis für die Flucht der Asylbewerber aus ihrer Heimat ("Diesen Menschen kann man keinen Vorwurf machen"). In der Kritik steht jedoch das Vorgehen der Regierenden, allen voran von Kanzlerin Angela Merkel. Hein fügt hinzu, beim Asylrecht handele es sich um "kein Menschenrecht", sondern "ein Gnadenrecht" ("Wenn wir das machen, dann ist es freiwillig").

Bei einigen der allgemein sehr redefreudigen Mitglieder und Zuhörer brechen spätestens jetzt die Dämme. Warum werde der Zustrom geduldet, gar geschürt? Sie beantworten sich selbst diese Fragen und werfen Worte wie "Sühne" oder "Durchrassung" in den Raum. Hein schließt sich an: Laut einem Fachmann gehe es um eine "Homogenisierung" der Bevölkerung. "Man will eine starke Zentralmacht, und der Bürger soll schwach sein", faucht er gegen eine "DDR 2.0".

"Die Rechten will ich auch nicht", stellt ein älterer Gast fest - und legt nach: "Aber ich will Ordnung in unserem Land." Und da passten ihm die "Islamisten" - er meint wohl generell Menschen aus dem islamischen Kulturkreis - nicht in den Kram. Einfach weil sie anders seien. Das Zusammenleben mit ihnen funktioniert aus seiner Sicht grundsätzlich nicht. Gegen Homosexuelle habe er dagegen gar nichts - zumindest so lange sie ihn in Ruhe ließen.

Ein anderer Mann verlangt, dass ein Asylbewerber "erstmal höflich anklopfen" müsse, ehe er das Land betreten dürfe. Der älteste Teilnehmer will sich schon mal auf die Suche nach Leichen in den Kellern der etablierten Parteien machen, während ein Mitglied schimpft, dass sogar "die Kirche die linken Antifas finanziert". Und schließlich wird noch der Bogen zu den Nazis geschlagen, die als "national" und "sozialistisch" eigentlich gar keine rechten, sondern eher linke Gewalttäter gewesen seien. Das könne man auch an deren Programm erkennen, das der Redner offenbar im Internet nachgeschlagen hatte.


Auch in der Kommunalpolitik?

Auf Nachfrage des FT-Reporters wird es zum Schluss doch wieder sachlich. Sieht sich ein AfD-Kreisverband auch als Alternative in der Kommunalpolitik? Langfristig ja, wie Böhm unterstreicht. Nur weil die AfD, anders als etwa die Freien Wähler, nicht aus kommunalen, sondern aus überregionalen Strukturen erwachsen sei, brauche es Zeit, die entsprechende Basis vor Ort zu schaffen. So lange wolle man weiter Salz in die Wunden der großen Koalition streuen. Die Kommunalpolitik werde später folgen. "Da liegt das Salz in der Schublade, aber früher oder später wird es herausgeholt", verspricht Böhm.

Bis dahin muss der AfD-Kreisverband allerdings aufpassen, sich nicht selbst Salz bei seinen Mitgliederstrukturen in die Augen zu streuen, sondern genau hinschauen. Denn während die Leitung beim Stammtisch weitgehend auf einen nüchternen Tonfall im Kampf gegen die vermeintliche Diktatur in Deutschland bedacht war, droht sich in den eigenen Reihen ein lautstarkes Schattenkabinett zu entwickeln. Und dessen zumindest braun angehauchte Ausrufe könnten dazu führen, dass auch noch andere Wirte eine Suppe auslöffeln müssen, die sie sich nicht selbst eingebrockt haben.