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57-Jähriger wegen versuchten Totschlags vor Gericht


Autor: Katja Nauer

Kronach, Mittwoch, 10. Sept. 2014

Die Erste Große Strafkammer am Coburger Landgericht verhandelte am Mittwoch einen Nachbarschaftsstreit. Dabei ging es um versuchten Totschlag. Am Freitag wird die Verhandlung fortgesetzt.
Wegen versuchten Totschlags steht derzeit ein Mann aus dem Landkreis Kronach vor Gericht. Foto: Matthias Hoch


"Jetzt erschlag ich dich." Mit diesen Worten geht im Januar ein 57-jähriger ehemaliger Kraftfahrer aus dem Landkreis Kronach auf seinen Nachbarn los. In der Hand hält er eine Hacke, mit der er soeben auf dem Grundstück seines Nachbarn dessen Graben widerrechtlich verfüllt hat.

Der erste Stoß erfolgt mit dem Stiel voran in den Unterkörper des Nachbarn, der sich geistesgegenwärtig wegdrehen kann. Der zweite Schlag erfolgt mit dem Blatt nach vorn gegen den Oberkörper. Dabei zieht sich der Nachbar Verletzungen an Schulter, Arm und Ellbogen zu, die in der Frankenwaldklinik Kronach behandelt werden müssen.

Wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung musste sich der 57-Jährige nun vor der Ersten Großen Strafkammer als Schwurgericht verantworten.

Der Streit schwelte schon lange: "Der Angeklagte wirft seinem Nachbarn vor, oberhalb seines Grundstücks Gräben gezogen zu haben, so dass das Wasser in sein Haus läuft", erläuterte der Anwalt des Nachbarn, der als Nebenkläger auftritt. "Das Wasser schießt auf mein Haus zu und tritt durch die Wand ein", klagte der 57-Jährige, der als Kind und Jugendlicher mit seinem Nachbarn eng befreundet war, mit ihm Fußball gespielt, Fahrrad gefahren und später in die Kneipe gegangen ist. Dass aus dieser Freundschaft eine so arge Feindschaft geworden ist, will weder dem Leitenden Richter Gerhard Amend noch Oberstaatsanwältin Ursula Haderlein in den Kopf. "Seit wann geht das denn schon?", will Haderlein wissen, die darauf pocht, sich doch vernünftig zu einigen. Seit 40, 50 Jahren gäbe es die Probleme mit dem Wasser schon, erklärte der Angeklagte und traf auf Unverständnis: "Warum haben Sie nicht das Landratsamt benachrichtigt?", hakte Amend nach.

Die Situation eskalierte im Jahr 2012: Da habe er so viel Wasser wie noch nie in seinem Keller gehabt, gab der 57-Jährige zu Protokoll. "Seitdem macht mein Nachbar den Graben immer wieder auf und ich mache ihn immer wieder zu", erläuterte er und fährt fort: "Ich mach zu, dann läuft das Wasser nicht zu mir, sondern zu ihm in den Hof."

Diese natürlichen Gräben habe es schon immer gegeben, beteuerte allerdings der Nachbar dem Gericht und betonte: "Es läuft kein Wasser in sein Grundstück - und es ist noch niemals Wasser hineingelaufen." Auch das Mäuseproblem ("Die weichen vom Keller ins Dach aus", so der Angeklagte) könne laut Amend nicht auf das Hochwasser geschoben werden: "Da gibt es andere hygienische Probleme."

Wegen der durch das Wasser verursachten Schäden an seinem Haus drohte der Angeklagte seinem Nachbarn anwaltlich. Daraufhin untersagte der Nachbar dem 57-Jährigen den Zugang zu seinem Grundstück, auf dem die Wasserrinnen liegen, an denen sich der Angeklagte immer wieder zu schaffen macht. Die Schwester des Opfers erinnerte sich: Probleme mit Wasser im Haus des Angeklagten habe es schon immer gegeben. "Schon als Kind habe ich gesehen, wie aus dem Keller das Wasser lief." Schuld seien Quellen, die dann aufträten, wenn es zu starken Regenfällen käme.

Ihr Mann bestätigte die Aussage seiner Frau. "Ich verkehre seit 37 Jahren auf dem Grundstück", sagte er, "da gab es die Probleme schon." Bis zum Haus käme das Wasser aus den Gräben seines Schwagers allerdings gar nicht: "Da müsste es bergauf fließen."

Immer wieder machte sich der Angeklagte widerrechtlich an den Gräben auf dem Nachbargrundstück zu schaffen: Deshalb bat der Nachbar bei der geplanten Reinigung von Brunnen und Gräben seinen Schwager und seine Schwester um Hilfe. Die brachten eine Kamera mit und filmten den Angriff des 57-Jährigen. Bei der anschließenden polizeilichen Vernehmung leugnete der Angeklagte alles. "Erst nachdem ihm die Videosequenz vorgespielt wurde, hat er die Tat eingeräumt", sagte einer von sieben Polizisten aus, die in dem Verfahren als Zeugen gehört wurden. Außerdem verbrannte der Angeklagte den Stiel der Hacke und versteckte das Werkzeug.
Der Sachverständige der Universitätsklinik Erlangen, der das Opfer einen Tag nach der Tat untersuchte, erklärte, dass die Wunde eindeutig durch einen Schlag mit der spitzen Seite der Hacke - und nicht wie vom Angeklagten angegeben mit der stumpfen Seite - ausgeführt wurde. "Die Verletzungen wurden durch die Wucht des Hiebes hervorgerufen und nicht durch das Tatwerkzeug an sich, das relativ stumpf gewesen ist", erläuterte er. Die Schläge hätten durchaus lebensgefährliche Verletzungen verursachen können. "Das hätte ganz übel ausgehen können." Nur dadurch, dass sich der Geschädigte weggedreht habe, seien die Verletzungen nicht gravierend gewesen.

Die Verhandlung wird am Freitag fortgesetzt.