242 aus 12 000 Fotos ausgesucht
Autor: Gerd Fleischmann
Ludwigsstadt, Montag, 26. Januar 2015
Die beiden Ludwigsstädter Heimatkundler Siegfried Scheidig und Martin Weber dokumentieren das deutsch-deutsche Drama in ihrem Werk "Der Westen ist nur im Süden" in über 200 aussagekräftigen Bildern.
Die historische Aufarbeitung des deutsch-deutschen Dramas nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 hat nach dem sensationellen Mauerfall am 9. November 1989 erheblich an Dynamik gewonnen. Für Aufklärung haben neben den Fernsehanstalten, den Tageszeitungen unter anderem auch verschiedene Ausstellungen sowie der 70-minütige Filmbeitrag "Stacheldraht und Minenfeld - Geschichte und Geschichten rund um den Eisernen Vorhang" von Rainer Steiger aus Stockheim-Neukenroth ganz erheblich gesorgt.
Ebenso sind die Gedenkfeiern bei der Bevölkerung sehr gut angekommen. Abgerundet und ganz wesentlich ergänzt werden die Bemühungen des Erinnerns an eine finstere, ja dramatische Zeit durch den Bildband "Der Westen ist nur im Süden", konzipiert von Kreisheimatpfleger Siegfried Scheidig und Martin Weber, beide Mitglieder der Geologisch-Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft Ludwigsstadt.
Die Generaloffensive der historischen Aufklärung war insofern notwendig, da mittlerweile eine Generation herangewachsen ist, die die DDR und die Mauer nur noch aus Erzählungen und Geschichtsbüchern kennt. Scheidig und Weber präsentieren auf 108 Seiten 242 Bilder mit kurzen, informativen Beschreibungen. Diese aussagestarken Dokumente mit hohem Informationsgehalt gleichen einer Zeitreise von 1946 bis 1990. Die beiden Autoren haben alles daran gesetzt, möglichst alle dramatischen Ereignisse am "Eisernen Vorhang" zwischen Tettau, Ludwigsstadt und Nordhalben festzuhalten. Das war allerdings nicht ganz einfach, denn den beiden standen immerhin 12 000 Bilder zur Verfügung. "Das war eine Mammutaufgabe bei dieser Fotoflut, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren", gibt Siegfried Scheidig offen zu.
Viel Blut geflossen
Und in der Tat: Die 102 Kilometer lange Zonengrenze, die den Landkreis Kronach eisern umklammert hatte, war für die Industrie und letztendlich für die Menschen im Frankenwald eine Riesenherausforderung. Und in diesem Grenzabschnitt zu den über 1300 Kilometern Absperrungen ist viel Blut geflossen. Dieses sündhaft teure, vor allem lebensgefährliche Monster glich einem Alptraum. Nicht von ungefähr war die Befreiung von den gigantischen DDR-Befestigungsanlagen ein geschichtliches Jahrhundertereignis.
Die beiden Ludwigsstädter Heimatkundler bemühten sich um eine möglichst breit gestreute Dokumentierung der Ereignisse. So sorgte 1952 die Aktion "Ungeziefer" für erhebliche Unruhe an der Demarkationslinie. Am Donnerstag, 5. Juni 1952, war die Situation total eskaliert. Hunderte Heinersdorfer flüchteten mit Sack und Pack, mit Hausrat und Vieh, über die Grenze nach Welitsch.
Lesenswert, sehr informativ
Noch im gleichen Jahr traf es brutal die Industrie in der Rennsteigregion. Die DDR-Machthaber sperrten völlig überraschend die Eisenbahnlinie Pressig-Tettau. Von nun an bestimmte der legendäre Straßenroller "Culemeyer" das Straßenbild am Rennsteig. Neben dem umfangreichen Ausbau der DDR-Grenzsperranlagen mit immer raffinierteren Überwachungssystemen und gescheiterten Fluchtversuchen werden die Abrissaktionen auf DDR-Seite sowie das Drama der bayerischen Schieferarbeiter (1955-1961) in Lehesten dokumentiert. Die Bedeutung des Interzonen-Übergangsbahnhofs Ludwigsstadt, die ehrenamtliche Arbeit der Bahnhofsmission, der Bau der Thüringer Warte bei Lauenstein im Jahre 1963, die Restaurierung der historisch wertvollen Grenz-Wappensteine an der innerdeutschen Grenze im Jahre 1984 sowie das Tauziehen um drei Häuser in Kleintettau mit Grenzkorrektur finden im Bildband mit ausdrucksstarken Fotos ihren Niederschlag. Dass natürlich der Mauerfall nach dem 9. November 1989 mit Auswirkungen bis zum 28. April 1990 in Brenners-grün mit erstmaliger Begehung des Rennsteigs sehr emotional und vor allem auch farbig dem Leser präsentiert wird, bildet einen mehr als versöhnlichen Abschluss nach einer mehr als düsteren Zeitreise deutsch-deutscher Geschichte. Der lesenswerte und vor allem sehr informative Bildband ist erhältlich in der Stadtverwaltung Ludwigsstadt, im Schiefermuseum Ludwigsstadt sowie in den Buchhandlungen.
Zwei erfolgreiche Fluchtversuche mit Flugzeugen