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20-Jähriger von sexuellem Missbrauch freigesprochen


Autor: Susanne Deuerling

Kronach, Freitag, 09. Mai 2014

Bei Verhandlungen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern ist Fingerspitzengefühl gefragt. Auch beim Verfahren gegen einen 20-Jährigen, der beschuldigt wurde, auf einen Schüler durch Vorzeigen pornografischer Abbildungen und obszöne Reden eingewirkt zu haben.
Symbolfoto


Im Verlauf der Verhandlung kristallisierten sich zwei Versionen der Geschichte heraus. Einerseits die des Angeklagten, der ausgesagt hat, dass der Junge zu ihm gekommen sei, er ihn aber weggeschickt habe, weil es bald Abendessen geben würde.

Er betonte ausdrücklich, dass die Ausführungen in der Anklageschrift nicht der Wahrheit entsprechen. In der Version des Jungen jedoch hätten die beiden am Nachmittag Fußball gespielt. Dabei habe der Angeklagte obszöne Worte zu ihm gesagt und ihn mit auf sein Zimmer genommen.

Dort habe er den Fernseher eingeschaltet und "nackte Frauen" angeschaut, sich ausgezogen und getanzt, auch habe er noch einmal die obszönen Worte und Aufforderungen zu ihm gesagt. Er, der Junge, habe am Computer gespielt und sei dann einfach gegangen.



Keine sexuellle Belästigung

In der Beweisaufnahme sagte die Mutter des Jungen aus, sie seien mit dem Auto auf dem Rückweg von einem Ausflug gewesen, als der Neunjährige sich ihr anvertraut und das ganze Geschehen erzählt habe. Nach Rückfrage am nächsten Tag, bei der er die gleiche Version sagte, entschloss sich die Mutter, bei der Polizei anzurufen und Anzeige zu erstatten.

"Er hat Worte benutzt, die er noch nie gesagt hat und auch nicht kennen konnte", sagte die 35-Jährige aus.
Die Polizeiinspektion Ludwigsstadt nahm die Aussagen auf und übergab den Fall an den Kriminaldauerdienst Coburg, der die weiteren Ermittlungen durchführte. Im Zimmer des Angeklagten konnten jedoch weder Filme, Bilder, Zeitschriften noch ein Fernseher sichergestellt werden.

Der Antrag der Staatsanwaltschaft, ein psychologisches Gutachten des Jungen erstellen zu lassen, wurde von der Mutter kategorisch abgelehnt. In der Aussage des neunjährigen Jungen, bei der die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde, stellte sich dann schnell heraus, dass es wohl nicht zu einer sexuellen Belästigung gekommen ist.

Nach Ansicht von Richter Jürgen Fehn und Staatsanwalt Philipp Karr ließ sich bei der Aussage kein Erlebnisbezug feststellen. Außerdem sagte der Junge aus, dass er kurz vorher erst den Film "Eiskalte Engel" gesehen habe. Die Wörter und Taten, die er über den Angeklagten gesagt hat, stammen wahrscheinlich aus diesem Film.

Mutter blockt Gutachten ab

In seinem Plädoyer betonte der Staatsanwalt, dass das fehlende psychologische Gutachten sicher bereits im Vorfeld schon Licht ins Dunkel gebracht hätte. Leider sei das von der Mutter abgeblockt worden. Er regte an, den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, da es sehr wahrscheinlich sei, dass die Aussage keinen Erlebnisbezug hatte, sondern aus dem genannten Film stammt.

Die Rechtsanwältin des Angeklagten, Julia Gremmelmaier, schloss sich diesem Antrag an und erläuterte, dass der Junge ständig zum Fußballspielen gekommen sei und auch sonst Anschluss gesucht habe. Der Film "Eiskalte Engel" habe anscheinend bei ihm einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

"Erlebnisbezug fehlt"

Richter Jürgen Fehn und seine Schöffen kamen deshalb auch zwingend zu dem Urteil "Freispruch" aus tatsächlichen Gründen. In seiner Begründung sagte Fehn, dass nach der Aussage des Jungen jeglicher Erlebnisbezug fehlt. "Wenn die Mutter das psychologische Gutachten nicht abgeblockt hätte, wäre es wohl nicht zu dieser Verhandlung gekommen", betonte Fehn. Mit hoher Wahrscheinlichkeit stammen die Ausdrücke und die Schilderungen der Taten aus dem Film. Über die Bedeutung sei sich der Junge wohl nicht bewusst gewesen.

Beeinträchtigungen wie bei Missbrauch waren nicht zu erkennen und es gab keinen Bezug auf eine solche Tat. "Aus Sicht des Gerichts war es allerdings unverantwortlich von der Mutter, so einen Film ihrem neunjährigen Jungen bewusst zu überlassen, nur um ihn an einem Nachmittag zu beschäftigen", zeigte sich der Richter sichtlich betroffen.