WM-Vorbereitung: Glaube versetzt Torlinien
Autor: Jochen Nützel
Bamberg, Dienstag, 20. Mai 2014
Selbst der gutgläubigste Atheist hat es wenigstens im Stillen schon praktiziert: Liegt der vergötterte Verein hinten, wird vom Fußballgott buchstäblich Schützenhilfe erfleht.
Besonders intensiv fällt das Händefalten alle vier Jahre aus, wenn es um das Goldene Kalb der Fifa geht: den WM-Pokal. In dieser Glaubensfrage hat nun das Umfrage-Institut emnid im Auftrag für die evangelische TV-Talkshow "Tacheles" eruiert, ob Beten für den WM-Sieg erlaubt sei. 48 Prozent der Befragten erteilten dieser Auffassung ihren Segen. Logo: Fußball hat es in den Rang mindestens einer Ersatz-Religion gebracht.
20 Prozent hingegen meinten, ein Sieg beim Spiel ist kein Thema für Gebete, Gott sei schließlich kein Wunschautomat. Wofür diese Leute sonst den Höchsten um Beistand bitten, wurde nicht bekannt.
Eine dritte Zahl der Erhebung aber fand ich besonders interessant: 28 Prozent gaben an, Gebete seien generell sinnlos. Die rechnen damit, dass der Adressat nie existent war, unbekannt verzogen oder seit längerem tot. - Gott ist tot? Friedrich Nietzsche hat das mal behauptet. Ich glaube das nicht. Der Fußballgott mag gefühlt unvollkommen sein und der Glaube an ihn kann vielleicht keine Betzen-Berge versetzen (da hausen ja auch die roten Teufel); aber im Verschieben von Torlinien ist er mitunter schon ganz gut.