Der Corona-Skandal beim Fleischgiganten Tönnies zeigt, bei der Fleischproduktion ist in Deutschland einiges faul. Doch das weiß man bereits seit Jahrzehnten. Und wenn wir nicht aufpassen, wird sich auch diesmal nichts ändern. Ein Kommentar.
Nun ist es also so weit: „Es wird keine zweite Chance geben für die gesamte Branche“, sagte Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) am vergangenen Freitag im Hinblick auf die Fleischindustrie, die nach dem Corona-Ausbruch beim Fleischgiganten Tönnies in den Fokus gerückt war. Man könnte sagen: endlich!
Könnte man. Ehrlicher wäre jedoch zu fragen: Will uns die Regierung eigentlich für blöd verkaufen? Die wievielte „zweite Chance“ sollte das denn genau sein? Solange ich zurückdenken kann, gab es alle ein, zwei Jahre einen größeren Skandal um Fleisch. BSE durch Rindfleisch, Dioxin in Schweinefleisch, antibiotikaresistente Keime und natürlich der alljährliche Gammelfleischskandal - um nur ein paar Stichwörter der letzten zwei Jahrzehnte zu nennen.
Alle paar Monate der nächste Skandal
Das Muster ist immer gleich. Nur, dass eben alle paar Monate eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird. Zuletzt also mal wieder die Arbeitsbedingungen in Schlachtbetrieben: Die sind offensichtlich nicht so gut. Man fühlt sich an Louis de Funes erinnert: „Nein! Doch! Ohh!“ Die Aufregung ist kurzzeitig groß. Ein Skandal! Da muss man nun aber wirklich unbedingt etwas tun. Also diesmal wirklich, wirklich!
Aber was? Die Bundesregierung kündigt an, Werkverträge – also die legale Auslagerung von Arbeitsplätzen an Sub-Unternehmer, um Mindeststandards zu umgehen – zu verbieten. Zumindest für einige Betriebe. Und, naja, vielleicht mit einigen, kleineren Ausnahmen. Das umfangreiche Maßnahmenpaket schmilzt bereits jetzt schneller als ein Wassereis in der sommerlichen Sonne.
Und in Kürze wird dann wieder der Verbraucher ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt werden. Weil dies immer passiert. Das Mantra: Wir Konsumenten sind es doch, die die Entscheidung treffen können. Jeder ist dazu aufgerufen, an der Fleischtheke und im Supermarkt mit dem Geldbeutel selbst abzustimmen.
Warum sind Verbote tabu?
Was für ein – bitte entschuldigen Sie den Ausdruck – ausgemachter Schwachsinn. Man lässt den Bürgern ja auch nicht die Option, ihr Abwasser entweder vorbildlich in einer Kanalisation und letztlich in einem Klärwerk zu entsorgen oder kostenlos in den nächstgelegenen Weiher zu leiten und fordert dann ein, dass sich die Bürger doch bitte aufgrund ihres Gewissens für die zwar teurere, aber eben doch bessere Alternative entscheiden sollen. Man verbietet stattdessen einfach die schädliche Praxis.
Und dass die Fleischwirtschaft in ihrer jetzigen Form schädlich ist, sollte nun mittlerweile dem Letzten klargeworden sein: Die Tierzucht in ihrer jetzigen Form erzeugt Unmengen an CO2, die Böden und das Grundwasser werden belastet, die Tiere leiden, auch die schlecht bezahlten Landwirte und Fleischer. Und dazu ist ein Übermaß an Fleisch noch mitverantwortlich für eine Vielzahl moderner Wohlstandkrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs.
Werkverträge – also die legale Auslagerung von Arbeitsplätzen an Sub-Unternehmer, um Mindeststandards zu umgehen – zu verbieten ist überfällig, und zwar für sämtliche Branchen in Deutschland - besser noch der EU insgesamt. Erst dann findet dieses ungesunde Treiben ein wirkungsvolles Ende!