Druckartikel: Unwörter in harter Konkurrenz

Unwörter in harter Konkurrenz


Autor: Rudolf Görtler

Berlin, Freitag, 18. Januar 2013

Wieder einmal ist das "Unwort" des Jahres gewählt worden: "Opfer-Abo". Kaum einer hat es je gehört. Die Konkurrenz der Unwörter ist jedoch groß. Eines davon heißt "Networken".
Hilfst du mir, dann helf ich dir - beim Karrieremachen bzw. Schleimen und Kriechen. Foto: Archiv


"Opfer-Abo" stammt angeblich von Jörg Kachelmann. Gehört oder gelesen hat "Opfer-Abo" kaum jemand; es wird verschwinden im Sprach-Orkus, wo es hingehört. Dabei schwirrten doch andere Kandidaten genug im öffentlichen Diskurs herum.

Jeder kennt wohl seine persönlichen Nerv-Klassiker. Einer davon ist das so unschuldig klingende "Networken". Außer dem Management-Kauderwelsch stören daran die Assoziationen: Leute in Anzug oder Kostüm lallen einem die Ohren mit Themen voll, die bestenfalls langweilig sind, immer anbiedernd und oft unerträglich. Und die Visitenkarte wird einem ungefragt auch noch in die vor unterdrückter Wut bereits schweißfeuchte Hand gedrückt. Alles im Dienste (fremder)

Karrieren. Networken ist Orwell'sches Neusprech, ein Euphemismus fürs gute alte Schleimen. Oder Seilschaften bilden. Diese Invektive war doch eigentlich der Kumpanei altrealsozialistischer Kader vorbehalten, die nie geahnt hätten, dass ein turbokapitalistisches Jungfittitum ihre Idee begierig aufgreifen würde. Ein einschlägiger "Karriereratgeber" rät allen Ernstes: "Beginnen Sie frühzeitig mit dem Netzwerken, am besten in der Schulzeit!"

Man sieht sie vor sich, seitengescheitelte Aufstiegskonditionierte, die fleißig netzwerken, aber schon mal ausflippen und ihren Junge-Union-Vorstand zu einem frechen Brief an den politischen Gegner animieren. Heute ist dies alles natürlich internetbasiert. Dienste wie "Xing" oder "LinkedIn" belästigen einen mit Spam-Mails oder "Kontaktanfragen" - sind wir auf dem Kontakthof eines Eros-Centers (auch so ein Wort) gelandet?

Was würde ein Freiherr Knigge, dessen Einlassungen über den Umgang mit Menschen erstaunlich modern anmuten, zu diesem Appell an Lüge, Heuchelei und Falschheit sagen? Dies alles hatte er einer kriecherischen Hofgesellschaft unterstellt. Der freie Bürger sollte aufrecht gehen und handeln, so Knigge. Freilich wird man nicht stets die Wahrheit hinausposaunen. Höflichkeit, Aufrichtigkeit und Dezenz sind zivilisatorische Werte, was ein ordinärer Networker nie begreifen wird. - Demnächst in diesem Theater: Powerfrau bzw. Frauenpower.