TV-Dreikampf: Science Fiction mit Omas Leselampe
Autor: Christian Bauriedel
Bamberg, Montag, 02. Sept. 2013
Zwei hilflose Journalisten, drei die nichts mehr zu verlieren haben und eine Keller-Kulisse: Das Gezänk des TV-Dreikampfs zwischen Jürgen Trittin, Gregor Gysi und Rainer Brüderle bewies, dass der Wahlkampf doch noch nicht ganz eingeschlafen ist.
Ach, wie hat man es doch vermisst! Endlich mal wieder. Die hitzköpfige, politische Wahlkampfdebatte ist zurück. Ein aussterbendes Produkt alter, vormerkelscher Zeit, so schien es lange. Doch dank Jürgen Trittin, Rainer Brüderle und Gregor Gysi hat nun auch der fernsehende Wähler wieder begonnen daran zu glauben, dass es Politiker gibt, die sich gegenseitig nicht das Geringste gönnen. Von staatsmännischer, den Staat zu Bette tragender Floskelei wie man sie noch beim großen Bruder am Vorabend zu hören bekam, gab es beim "kleinen Duell der Drei" zumindest wenig zu hören.
Inhaltlich war zwar bei den vorhersehbaren Themen nicht viel Überraschendes dabei. Dass es ausgiebige Differenzen mit Brüderle zum Mindestlohn geben würde, war klar. Dass sich die beiden Moderatoren Sigmund Gottlieb und Jörg Schönenborn die Eurorettung und die Energiewende auf die Karteikarten geschrieben haben auch.
"Die Oma mit der Leselampe zahlt die Quersubenvention"
Überraschend war dann aber doch der leidenschaftliche und aggressive Ton, der die Debatte gleich von Anfang an beherrschte. Rhetorisch fuhren die drei Kandidaten in höheren Gängen: Trittin bezichtigte Brüderle der Lüge. Der FDP-Fraktionsvorsitzende metaphorisierte sich beim Thema Strompreis in die Höhe: "Die Oma mit der Leselampe zahlt die Quersubenvention".
Rohbau einer Tiefgarage oder Kulisse eines Science Fiction-Thrillers
Wortgewaltige Querschläger, als ob sich da schon länger ein Entleerungsbedürfnis bei den Wahlkämpfenden angestaut hätte. Die 60-minütige Sendung bestand vor allem aus Dazwischen-, Darüberhinweg- und Drumherumgerede. Leider verhallten viele Argumente im Stimmengewirr des Baus, den sich die ARD als Austragungsort dieser Politik-Fehde auserkoren hat. Was war das? Rohbau einer Tiefgarage oder Kulisse eines Science Fiction-Thrillers aus den 80er Jahren? Die Location verlieh dem ganzen Parteiengezänk jedenfalls außer- und unterirdisches Ambiente.
Gottlieb flüchtet sich in Suggestivfragen
Zu allem Überfluss beteiligten sich auch die beiden streckenweise völlig überforderten Moderatoren am unübersichtlichen Durcheinandergebrüll. Gottlieb entschied sich leider mehrmals dazu, suggestive "Glauben Sie nicht, dass..."-Fragen zu stellen. Auch schrammte er haarscharf an tendenziösem Mitdiskutieren vorbei, anstatt einfach sachlich um Auskunft zu bitten.("Herr Gysi, ich habe den Eindruck, Sie haben immer noch nicht kapiert, dass...", "Ein anderer Teil der Wahrheit ist...", "...haben die da alle noch im Kopf...")
Schönenborn bekam mehrmals nicht richtig Ruhe in die Runde, so dass er kapitulierend an seinen Kollegen abgeben musste. Gottliebs süffisant-resignativer Kommentar: " Es ist schön, in diesen Tagen ein wenig Assistenz zu bekommen." Na also, Wahlkampf kann doch anstrengend und nervenzehrend sein.