Trans*- und Inter-Badetag in Nürnberg: Das beste Argument sind die Reaktionen
Autor: Io Görz
Nürnberg, Montag, 13. Juli 2020
Eine Stadtratsfraktion in Nürnberg fordert einen Badetag nur für trans*- und intergeschlechtliche Personen. In den Kommentaren schäumen Ablehnung, Hass und Wut. Leben und leben lassen ist da ganz weit weg. Was haben die Menschen zu verlieren? Ein Kommentar.
Manchmal wundert man sich schon ein bisschen. Da wird in Nürnberg ein Badetag für trans*- und intergeschlechtliche Personen gefordert. Ein Antrag der Stadtratsfraktion der Grünen an die Stadt Nürnberg regt an, beginnend ab dem 31. März 2021 – dem trans*gender day of visibilty – alle zwei oder drei Monate einen solchen speziellen Badetag einzuführen. Das kann man jetzt sinnvoll finden oder auch nicht. Darüber kann man sich austauschen und verschiedene Standpunkte beziehen – keine Frage.
Doch was sieht man, wenn der Blick in die Kommentare zu dieser Meldung fällt? Hier wird deutlich, dass sich viele Menschen bisher nicht mit dem Thema Diskriminierung auseinandergesetzt haben und offenbar auch keine Lust haben, das zu tun. Die Kommentare geben einen Hinweis darauf, warum der Wunsch entstehen könnte, ab und zu sicher zu sein vor Anfeindungen. Die Äußerungen der Nutzer unter Artikeln zu diesem Thema sind leider das beste Argument für einen speziellen Badetag.
Wenn jeder Duschgang zum Spießrutenlauf wird
Was dort zu lesen ist, erschreckt und lässt einen ratlos zurück: Was geht in Menschen vor, die sich wünschen, dass man einem solchen Badetag „das ganze Pack auf einmal ersaufen“ kann oder die über „Gengeschädigte“ schreiben und dabei trans*- und intergeschlechtliche Personen meinen? Was glauben Kommentatoren, geht in intergeschlechtlichen Personen vor, wenn man sie als „Undinger, die keiner braucht“ bezeichnet? Warum erregt eine Forderung nach einem Badetag solchen Hass und Menschenverachtung?
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Sicher: Der Wunsch danach, sich nicht überall falsch zu fühlen, ist nur schwer nachzufühlen für Menschen, die sich mit dem Geschlecht, das ihnen zugewiesen wurde und als welches sie gelesen werden (cis-geschlechtlich). Wer sich als Mann fühlt und als solcher von der Außenwelt wahrgenommen wird, hat natürlich keine Probleme damit, in die Männer-Umkleide zu gehen. Das ist verständlich und nicht jeder kann oder muss sich in die Gefühlswelt von trans*- und intergeschlechtlichen Personen einfühlen. Aber offen sein für die Erfahrungen und Erzählungen von Betroffenen, wäre ein erster Schritt: Wenn nämlich die gesellschaftliche Einordnung eines Menschen nicht zu dessen eigentlichen Selbst passt, wird jedes Umkleiden, jeder Duschgang zu einem Spießrutenlauf.
In einer perfekten oder zumindest besseren Welt gäbe es vielleicht geschlechtsneutrale Umkleiden, weniger abschätzige und abwertende Blicke, weniger Getuschel und definitiv weniger offene Diskriminierung und Gewalt gegen trans*- und intergeschlechtliche Personen.
Bin ich von Diskriminierung betroffen?
Doch wir leben in einer Welt, in der es häufig transfeindliche Gewalt gibt, verbal wie körperlich. In einer Welt, in der es EU-Staaten mit „LGBT-freien Zonen“ gibt. Der Blick muss aber mitnichten ins Ausland schweifen: In Deutschland ist die Anzahl der Straf- und Gewalttaten gegen queere Personen um 60 Prozent, bzw. um 70 Prozent gestiegen.
In dieser Welt gibt es eben den Bedarf nach Ruhe-Oasen, nach sogenannten „safe spaces“ - und diese eben auch in einem öffentlichen Rahmen, nicht nur im eigenen Heim. Wer unter dem Banner der Integration und Inklusion Menschen ständig dazu zwingt, sich Diskriminierung und realer Gefahr auszusetzen oder sich andernfalls zu isolieren, betreibt genau das Gegenteil von Inklusion. Menschen vor diese Wahl zu stellen – Isolation oder Gefahr – ist ausschließend und außerdem gefährlich. „Toleranz und Gleichberechtigung ist, wenn immer alle gemeinsam das Schwimmbad besuchen können.“ – Diese Aussage klingt in den Ohren jener, die das eben nicht einfach so machen können, ohne Angst zu haben, nur noch zynisch und hämisch.
Es wäre angebracht, zu reflektieren, an welcher Stelle man selbst von Diskriminierungen betroffen ist und wann nicht, bevor man vollmundig fordert, dass doch auch Zeit für einen „Männerbadetag“ wäre oder einer für große Menschen oder Ähnliches. Da würden viele feststellen, dass sie als bärtiger, dicker, dünner, alter oder junger Mensch in der Regel ins Schwimmbad gehen, ohne Angst vor Gewalt und Ausschluss zu haben. Ich schreibe bewusst „in der Regel“, denn natürlich werden auch Menschen, die etwa einer gesellschaftlichen Mehrheit, bzw. dem „Mainstream“ angehören, Opfer von Gewalttaten und individueller Benachteiligung. Sie stoßen aber an weniger oder ganz andere Grenzen als zum Beispiel trans*- oder intergeschlechtliche Menschen. Und auch innerhalb der trans*-Community gibt es natürlich unterschiedliche Grade der Marginalisierung.