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Nur 007 hat die Lizenz zum Lieben


Autor: Günter Flegel

Bamberg, Samstag, 24. November 2012

Dieser Tage wird zum verflucht hundertsten Mal Stanley Kubricks "Full Metal Jacket" im Fernsehen wiederholt. Als Alternative für zarter Besaitete bietet sich der neue Bond, James Bond im Kino an. In beiden Formaten wird die Gewalt wenn schon nicht verherrlicht, so doch mit den Mitteln des Films veredelt.
Daniel Craig als James Bond in einer Szene des Kinofilms «James Bond 007 - Skyfall» Foto: Sony


Dieser Tage wird zum verflucht hundertsten Mal Stanley Kubricks "Full Metal Jacket" im Fernsehen wiederholt. Der Antikriegsfilm über die US-Marines hat Kultstatus. Vor allem wegen der markigen Worte des Ausbilders Hartman, dem die Welt die Erkenntnis verdankt, dass man Scheiße sechs Fuß hoch stapeln kann.
Als Alternative für zarter Besaitete bietet sich der neue Bond, James Bond im Kino an. In beiden Formaten wird die Gewalt wenn schon nicht verherrlicht, so doch mit den Mitteln des Films veredelt. Zwischen Leben und Tod liegt nur ein Filmschnitt, bei 007 traditionell erweitert um die Variante der Liebe, die in Hartmans Männeruniversum keinen Platz hat.
Das unterscheidet den Geheimagenten Ihrer Majestät, ein Phantasiegeschöpf ohne reale Entsprechung, von Kubricks handfesten Helden. Die dürfen nicht lieben, allenfalls ihr Gewehr umarmen, im Film nicht und auch nicht im wahren Leben.
Es wird nicht lange dauern, bis Hollywood die Geschichte von General Petraeus verfilmt. Der Kriegsheld der Vereinigten Staaten, der vor jeder Schlacht zum Warmwerden einen Marathonlauf gemacht hat und hinterher zum Abhotten 500 Klimmzüge, zeigt sein menschliches Anlitz. Er verliebt sich in eine Frau und muss deswegen als Chef des US-Geheimdienstes CIA seinen Hut nehmen.
Richtig, denn wer im Geheimdienst seines Präsidenten unterwegs ist, muss ein Mensch sein ohne Makel, nicht von einer Mutter geboren, sondern in Hartmans Heldenschmiede aus Stahl gehämmert.
Tatsächlich aber steckt die Geschichte des Sterne-Generals und seines Sternchens sechs Fuß hoch voller Tragikomik: Wie viele tausend Gelegenheiten hat doch so ein General, Geheimnisse zu verraten: seiner Frau, seinen Kindern, seinem Arzt, seinem besten Freund, dem Kegelbruder und dem Saufkumpan: In erster Linie ist er doch Mensch, der General!
Und trotzdem wird in Petraeus' Fall die Moral gequirlt. Jawohl, Moralin, mit Eis bitte, geschüttelt und gerührt. Es ist unmoralisch, eine Frau zu lieben. Moralisch hingegen ist der Krieg, der gerechte und humanitäre, mit seinen Drohnen und Minen, mit den abgerissen Beinen und den zerfetzten Gedärmen. Verflucht: So hoch kann man die Heuchelei stapeln?