Mehr Balsam als Revolution - ein Kommentar
Autor: Günter Flegel
Bamberg, Freitag, 20. Sept. 2013
Der Papst hat mit seinen außergewöhnlich offenen Worten zumindest eines geschafft: Er hat starre Strukturen in der katholischen Kirche aufgebrochen und Bewegung heillos festgefahrene Diskussionen gebracht.
Jetzt ist selbst für konservative deutsche Kirchen-Denker der verheirate katholische Pfarrer nichts Unaussprechliches mehr, für Zweifler ist (wieder) ein Platz in einer Kirche, die Papst Franziskus demütig und barmherzig sehen will. Entsprechend groß ist der Jubel bei vermeintlich Abtrünnigen der Kirche, groß der stille Groll vieler Konservativer.
Ein Papst, der sich selbst als Sünder bezeichnet und die von seiner Kirche postulierte Unfehlbarkeit in Frage stellt, hat die hohe Kunst des Interviews auf die Spitze getrieben. Obwohl er selbstkritisch oder ironisch anmerkt, dass er gar nicht gerne Interviews gibt, sondern lieber nachdenkt als redet.
Genau das hat der Jesuit im Vatikan getan, und zwar sehr gründlich. Die Provokationen im Gespräch mit Antonio Spadaro sind wohlüberlegt und hochgescheit, sie rütteln nicht an den Grundfesten dieser Kirche, sondern zielen auf das Herz der Gläubigen.Franziskus übernahm von seinem Vorgänger Benedikt eine zutiefst verunsicherte Kirche, die sich gegen Vorwürfe und immer neue Skandalgeschichten schützte, indem sie das Bollwerk der Dogmen noch fester goss. Sie verschloss sich nach außen und drohte dabei innerlich zu zerbrechen.
Der Ton des neuen Papstes ist wohltuend versöhnlich. Bei seinem Verständnis für die Rolle des Heiligen Vaters liegt die Betonung auf Vater. Ohne die Mutter zu vergessen! Irgendwie war Kirche doch mal so gedacht? Franziskus' Worte sind weniger eine Revolution des Glaubens als vielmehr Balsam auf den Seelen derer, die den Glauben an die Kirche fast schon verloren hatten.