Nun befindet sich Deutschland also auf einer Stufe mit Nordkorea, dem Iran und Russland. Zumindest im diplomatischen Schlagabtausch in der Spionage-Affäre haben die USA die Bundesregierung verbal degradiert. Die unwirsche Protestnote aus Berlin hat Washington zu einem ordentlichen Rhetorik-Punch ausholen lassen.

Der Beobachter schaut sich das transatlantische Theater indes mit einiger Verwunderung an. So gilt doch noch immer der alte Leitsatz, dass der Verrat geliebt wird, aber nicht der Verräter. Und so werden die enttarnten US-Lauscher (und die, die nach bekannter Logik jetzt noch von ihren Horchposten aufgeschreckt werden) mit Unbill Deutschlands bedacht, ihre Führung ebenso. Und dann? Dann wird das offiziöse Gerangel um das Lauschgift aus Washington allmählich abebben und ein anderes Thema die Agenda bestimmen. Man könnte auch die berühmte Sau bemühen, die dann durchs Dorf getrieben wird.

Es ist ein gespielter Witz, den die Öffentlichkeit derzeit erlebt. Bei aller Empörung: Wer hätte ernsthaft geglaubt, dass die USA ausgerechnet bei den deutschen Freunden nicht auch die Ohren spitzen wie sonst wo auf der Welt? Natürlich wird spioniert, was das Zeug hält. Dies war bis zum Fall der Mauer sogar selbstverständlich, die alte Bundesrepublik galt schließlich als alles andere als souverän (die DDR sowieso nicht).

Und auch wenn sich Deutschland spätestens nach den Zwei-plus-Vier-Verträgen anders begreifen darf, so wirkt doch noch vieles von dem fort, was in den Jahrzehnten des Kalten Krieges gelernte Praxis war. Folgt also jetzt die Zäsur? I wo! Allenfalls etwas Kosmetik.