Kommentar: Der "Tatort" als Kunstgriff
Autor: Irmtraud Fenn-Nebel
Bamberg, Montag, 13. Oktober 2014
Außergewöhnlich agierende Schauspieler, Zitate aus Film, Theater und Musik, Kunstgriffe wie eingefrorene Bilder und ein eigener Erzähler: Der Tatort "Im Schmerz geboren" war ganz großes Kino.
Es war gut, dass der Tatort vom Sonntag im Vorfeld groß angekündigt wurde: Man hätte sich sonst ob des Formats gewundert und gefragt, ob man wohl bei Arte gelandet sei. So aber war die Spannung groß und klar, dass dieser Film anders sein würde. Und wie anders er war!
Im besten Sinne: Die Erwartungen wurden übererfüllt. Die Zuschauer bekamen ein Theaterspiel par excellence geboten, das als eine der wenigen Ausstrahlungen die Zwangsabgabe Rundfunkbeitrag ausnahmsweise rechtfertigt. Sämtliche Hauptdarsteller schienen die Bühne, die ihnen in diesem als "ambitioniertes Experiment" angekündigten Film geboten wurde, zu genießen.
Sie spielten mit einer Intensität und starken Minen, die man von Charakterdarstellern wie Tukur, Matthes und Held zwar erwarten darf - die in dieser Besetzung aber selten zusammenkommen und noch seltener so meisterlich von der Regie gelenkt werden. Auch Barbara Philipp alias Assistentin "Wächter", mit ihrer zugleich resolut wie einfühlsamen Darstellung und ihren stilvollen Kleidern stets ein Hingucker, lief nicht erst als Geißel zur Hochform auf. Als weitere Kunstgriffe dürfen die eingefrorenen Bilder gelten, die Zitate aus Theater, Film, Kunst und Musik, der Erzähler, die satten Kulissen ... Shakespeare hätte seine Freude an diesem Spiel gehabt.
Dieser Tatort mag wohl mit einem neuen Leichenrekord von 47 bis 51 Toten aufwarten - geschenkt. Vor allem wartet er mit einer neuen Art von Filmgenuss auf, die man gern häufiger sehen würde. Ganz großes Kino, danke ARD!