Die Energiewende made in Germany war einmal ein Vorzeigeprojekt: Ausstieg aus der Kernenergie, Aufbau einer Versorgung mit Kraftwerken, die die Umwelt nicht belasten und langfristig Strom fast zum Nulltarif produzieren; Erzeugung nahe am Verbraucher, intelligente Netze und Anreize zur Effizienzsteigerung: So könnte die Energieversorgung in einem modernen Industriestaat aussehen, der seiner Zeit weit voraus ist. Übrig geblieben ist von dieser Vision nicht viel.

Natürlich darf über den richtigen Weg der Energiewende gestritten werden. Natürlich dürfen alle, die an der Energiewende mitwirken oder von ihr betroffen sind, ihre Meinungen kundtun und ihre Interessen vertreten. Es ist die Aufgabe der Politik, all diese Interessen abzuwägen. Und dann aber endlich auch Entscheidungen zu treffen.

Stattdessen präsentiert sich die Energiewende bislang, das nahe Osterfest legt den Begriff nahe, als einziges Herumeiern. Besonders die Querschüsse aus Bayern gegen die Windkraft und die Stromtrassen haben aus dem Vorzeigeprojekt eine Art Lachnummer gemacht. Seehofer will keinen Kohlestrom aus Sachsen-Anhalt? Den Atommeiler in Grafenrheinfeld kann man abschalten ohne irgendeine Form von Kompensation?

Solche Aussagen sprechen nicht nur für beeindruckend bescheidene Sachkenntnis, sondern haben durchaus Züge von Zynismus. Noch 2000 wollte die bayerische Staatsregierung fünf neue Atomkraftwerke bauen, also noch mehr strahlenden Müll produzieren. Die Bürgerproteste, die es gegen diese Politik gab, tat die Staatsregierung als Hysterie ab: Es gibt keine Alternative zur Kernkraft, hieß es damals.

Jetzt soll der Strom nicht nur sauber sein, sondern auch noch aus dem Nichts kommen. Abgesehen davon, dass es physikalisch unmöglich ist, in einem europaweiten Verbundnetz den Leitungen den Strom nach "sauber" und "schmutzig" zu trennen (da könnte man an der Tankstelle auch darauf bestehen, kein "böses" Russenbenzin zu zapfen), untergräbt Seehofer die Energiewende und die Akzeptanz in der Bevölkerung, indem er komplexe Systeme auf markante Parolen eindampft.

2013 hat es die bayerische Staatsregierung begrüßt, dass der Netzausbau vom Bund übernommen und damit wie gewünscht beschleunigt wird. Jetzt poltert Seehofer, dass Bayern im Alleingang die neuen Stromtrassen verhindern will.

Derweil macht es sich der Bundesenergieminister Gabriel im Hamsterbau der großen Koalition gemütlich, statt seinem bayerischen Widerpart mal in die Parade zu fahren. Streiten darf man, Herr Gabriel! Wenn sich die jetzige Regierung aber im Streit oder gar wie die vorherige im Nichtstun erschöpft, ist die Energiewende heute schon ein "Es war einmal".