Die Sicherheit - Mit Sicherheit neuer Zündstoff
Autor: Frank Förtsch
Bamberg, Sonntag, 15. Januar 2017
Bei der Sicherheits- und Flüchtlingspolitik kommt es im Wahljahr zur Zerreißprobe zwischen den Unionsparteien. Ein Kommentar.
Pkw-Maut, Mindestlohn, Kita-Ausbau: Die Streitpunkte der Großen Koalition vor vier Jahren lesen sich angesichts der aktuellen Hürden, vor denen allein die beiden Schwesterparteien CDU und CSU stehen, wie Lappalien: Den Christsozialen droht die Zerreißprobe bei der Sicherheits- und Flüchtlingspolitik. Noch sind sie sich nicht einmal einig darüber, ob sie sich wie geplant Anfang Februar treffen wollen. Kanzlerin Merkel wirbt für ein "Zukunftstreffen" und damit auch für ihre Kandidatur. Seehofer ziert sich noch. Er fordert Klarheit. Und meint damit eine Einigung auf seinen Kurs. Mindestens bei der seit vielen Monaten schwelenden Diskussion über eine Obergrenze für Flüchtlinge.
Die Diskussion über die Sicherheitspolitik nimmt dagegen seit dem Terroranschlag in Berlin zusätzlich Fahrt auf. Da hat ein 24-jähriger Tunesier das gesamte europäische Sicherheitssystem komplett ausgehebelt. Ein Gewirr an Zuständigkeiten und der fehlende Austausch sicherheitsrelevanter Daten waren seine Komplizen. Anis Amri unterlief den Radar der Sicherheitsbehörden, obwohl es Warnungen ausländischer Geheimdienste gab. Die Große Koalition streitet nun darüber, ob Gesetzes- oder Vollzugslücken dafür verantwortlich waren.
Damit ist auch eine Diskussion darüber entbrannt, ob die historisch bedingte föderalistische Organisation der Sicherheitsbehörden in der Bundesrepublik ausreichend wehrhaft ist gegenüber der Bedrohung durch den internationalen Terror. Ja, es wurden auch in dieser Struktur bereits Anschläge vereitelt. Der Fall Amri zeigt allerdings, dass zum Beispiel die dezentrale Organisation der jeweils 16 Verfassungsschutz- und Landeskriminalämter den Informationsfluss hemmte oder gar abreißen ließ. Mit fatalen Folgen.
Während sich der Bundesinnen- und der -justizminister derzeit mit Ankündigungen und Vorschlägen zur Sicherheitspolitik überbieten, ist es kaum vorstellbar, dass Seehofer Verantwortung abgeben und einer Zentralisierung das Wort reden wird. Verfassungsschutz ist laut Grundgesetz Ländersache. Darauf wird der Bayerische Ministerpräsident pochen. Er wird darauf verweisen, dass auch in einem sehr zentralistisch ausgerichteten Land wie Frankreich Terrorschläge nicht vereitelt werden konnten. Die Sicherheit im Wahljahr: mit Sicherheit neuer Zündstoff für eine Diskussion auch in der Union.