Die Putinischen Spiele - ein Kommentar
Autor: Christian Reinisch
Bamberg, Freitag, 07. Februar 2014
Wenn Russlands Präsident am Freitag die Spiele in Sotschi eröffnet, gehört die Bühne nach wochenlangen Diskussionen über Terrorgefahr, Menschenrechtsverletzungen und Gigantismus endlich den Athleten.
Man kann die Sportler ja gut verstehen, wenn sie genervt bis allergisch reagieren auf all die Fragen nach den politischen Rahmenbedingungen. Was sie denn halten vom Gigantismus der Ersten Putinischen Winterspiele der Neuzeit? Wie sich die künstlich in eine subtropische Region hineingepflanzte Schneewelt verträgt mit der Sorge ums Weltklima? Wie es denn steht um ihre Solidarität mit homosexuellen Kollegen im homophoben und repressiven politischen Klima in Putins Reich? Ja, und dann wäre da noch der gigantische Sicherheitsapparat, die latente und doch omnipräsente Terrorgefahr: Wie sich die wohl auswirken wird auf die psychische Verfassung unserer Medaillenhoffnungen?
Dass ab heute, wenn das olympische Feuer in Sotschi brennt, nur noch der Sport zählen möge, ist ein verständlicher und auch berechtigter Wunsch. Gleichwohl wäre es naiv zu glauben, im Sport habe die Politik nichts zu suchen. Diese Trennung hat es selbst zu den olympischen Gründerzeiten des Barons de Coubertin eher als Vision gegeben: die Jugend der Welt möge sich zum friedlichen Wettstreit treffen, die Waffen mögen ruhen. Aber spätestens seit der Sport als Symbol für die Überlegenheit von Ideologien oder politischen Systemen missbraucht worden ist, hat er seine Unschuld verloren. Und das ist lange her - man denke nur an 1936, in Garmisch und Berlin zweimal Olympia unterm Hakenkreuz.
Zur politischen Komponente ist mittlerweile die ökonomische gekommen: Olympia als globale Marke, an der milliardenschwere kommerzielle Interessen hängen. Und mittendrin ein Olympisches Komitee, das mit einer Mischung aus Korruption und Machtversessenheit agiert. Kein Wunder, dass sich unter diesen Umständen vor allem autokratisch regierte Staaten mit ihrem Hang zu Gigantomanie für die Ausrichtung von Olympischen Spielen interessieren.
Olympia bleibt ein Faszinosum
Denn ein Wladimir Putin hat mit all dem kein Problem: Das IOC als politbüroartiges Gebilde ist ihm ebenso vertraut wie das oligarchische Jonglieren mit Milliardensummen. Seine Spiele sollen eine Leistungsschau russischer Potenz sein - in wirtschaftlicher wie in technischer Hinsicht. Und gewiss auch in sportlicher. Über die westliche Doping-Debatte wird der Kremlherr sphinxhaft hinweg lächeln; wer weiß, vielleicht soll die russische Medaillenausbeute auch für die Leistungsfähigkeit der heimischen Pharmazie stehen.
All das ist nicht schön - und dennoch bleibt Olympia ein Faszinosum. Sport hat - allen inneren Widersprüchen zum Trotz - ein friedensstiftendes Potenzial. Die Spannung eines Wettkampfs, die Bewunderung für spektakuläre Leistungen der Athleten, sensationelle Bilder mit Schnee und Eis: All das wird uns selbst ein für Wintersport so absurder Ort wie das Schwarzmeer-Seebad Sotschi in den kommenden zwei Wochen in reichem Maße liefern.
Insofern gilt es ab heute tatsächlich dem Sport - verbunden mit der Hoffnung auf spannende sportliche Wettkämpfe und friedliche Spiele. Auch wenn man deren politische Instrumentalisierung auf keinen Fall vergessen darf.