Die historische Stunde von Rom
Autor: Christian Reinisch
Bamberg, Donnerstag, 14. März 2013
Es sind historische Momente für die katholische Weltkirche. Erst der Rücktritt von Benedikt XVI. - ein ungeheuerlicher Schritt für einen Papst, mit dem der deutsche Pontifex ein Zeichen setzte, ja irgendwie auch ein Tabu brach. Und nun, nach einem kurzen Konklave, die nächste Überraschung.
Der erste Papst, der nicht aus Europa kommt, wird die Katholische Kirche führen. Die Wahl des Argentiniers Jorge Bergoglio ist sicher noch kein Tabubruch, aber sie ist ein Zeichen dafür, dass Bewegung gekommen ist auch in die zum Teil in ihren Ritualen erstarrte Spitze des Vatikan. Es signalisiert eine Öffnung für jene Teile der Welt, in denen der Glauben noch eine stärkere, lebendigere Rolle im gesellschaftlichen Leben spielt als in Europa.
Dieses Signal war von vielen erhofft, aber nicht unbedingt erwartet worden. Der neue Papst ist kein Mann aus dem mächtigen Apparat der Kurie, sondern er kommt gewissermaßen von der Basis (auch wenn er alles andere als ein Novize in kirchlichen Machtfragen ist). Aber seine Stadt Buenos Aires ist eine Metropole, wie sie typisch ist für die aufstrebenden Länder jener Erdteile, die wir Europäer mit der uns eigenen Arroganz lange Zeit die "Dritte Welt" genannt haben. Der neue Papst wird schon wegen dieser Herkunft andere Akzente setzen.
Welche das sein werden, darf man gespannt abwarten. Eine programmatische Aussage jedenfalls verbindet sich mit der Wahl des Namens: Franziskus - das ist die Hinwendung zu den Armen, zu den sozialen Fragen. Mit seinem ersten Auftritt zeichnete der neue Papst ein dezidiert bescheidenes Bild von sich, demütig und den Menschen in sehr einfacher Sprache begegnend. Er ist allem Anschein nach nicht der scharfe Intellektuelle, der Joseph Ratzinger war. Man traut es Franziskus I. spontan zu, dass er mit seiner sanftmütigen Art die Herzen erreichen kann.
Ob er speziell die Hoffnungen vieler Deutscher auf Reformen in der Kirche erfüllen wird, darf indes bezweifelt werden. Es wird sich bald herausstellen, dass ein Lateinamerikaner auf dem Stuhle Petri ganz andere Prioritäten setzt, als jene, die in Mitteleuropa so heiß diskutiert werden. Aber das kann auch eine Chance sein, falls man sich nicht unrealistischen Erwartungen hingibt. Denn auf seine Weise wird auch Franziskus ein Konservativer sein. Und er wird als moralische Instanz eine Institution bewahren müssen, die auch deshalb so einzigartig ist, weil sie bisweilen sperrig zum Zeitgeist steht.