Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat am Dienstag die mündliche Verhandlung über das Betreuungsgeld begonnen. Die große Koalition muss dort etwas verteidigen, was sie mehrheitlich eigentlich gar nicht will. Ein Kommentar.

Die Argumentation von CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt ist so einfach wie banal: Weil immer mehr Eltern das Betreuungsgeld beziehen, ist es ein Erfolgsmodell. Aber mal ganz ehrlich: Wen wundert das? Es ist doch völlig normal, dass Menschen zugreifen, wenn sie etwas umsonst bekommen - in diesem Fall eine staatliche Förderung. Der quantitative Sprung bedeutet deshalb noch lange nicht, dass sich Eltern bewusst gegen den Besuch einer Kindertagesstätte für ihr Kind und für eine Erziehung zu Hause entscheiden.

Vielmehr scheint das Gegenteil der Fall zu sein, wenn man den Experten glauben darf: Mit dem Betreuungsgeld werden Eltern belohnt, die ihren Nachwuchs nicht zur frühkindlichen Bildung in die Kita schicken. Doch gerade diese Kinder aus häufig ärmeren, bildungsfernen Familien könnten am meisten von einem Kita-Besuch profitieren. Wie paradox!

Die CSU hat - entsprechend ihrem konservativem Familienbild - lange für die Herdprämie gekämpft. Umso verständlicher ist es, wenn die Christsozialen diese Errungenschaft nun nicht mehr hergeben wollen. Doch die Frage ist, ob es das Thema wirklich wert ist, den Koalitionsfrieden in Berlin nach der Pkw-Maut erneut einer schweren Belastungsprobe zu unterziehen. Unter dem Strich steht die CSU ziemlich alleine da: Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, eine klare Gegnerin des Betreuungsgeldes, hatte schon keine Lust, vor dem Bundesverfassungsgericht selbst zu erscheinen und die umstrittene Förderung zu verteidigen. Warum auch? Dass sie jetzt ihren Staatssekretär Ralf Kleindiek geschickt hat, macht die Sache nicht besser. Kleindiek ist ebenso vorbelastet, weil er einst als Hamburger Staatsrat die Normenkontrollklage des Senats der Hansestadt gegen das Betreuungsgeld ausgearbeitet hatte. Und letztlich: Auch Teile in der Schwesterpartei CDU können sich mit dem Betreuungsgeld nur schwer abfinden.

Das Problem: Die Herdprämie ist nun mal Bestandteil des Koalitionsvertrags. De facto steht die große Koalition also vor einer kuriosen Situation: Sie muss vor dem Verfassungsgericht etwas verteidigen, was sie mehrheitlich gar nicht will. Wie paradox!

Bei der Pkw-Maut hat die CSU in Berlin schon einmal ihren Willen durchgesetzt: Falls sich die Maut tatsächlich als EU-konform erweist, dann zahlen wir künftig wenigstens für eine Leistung, die wir nutzen. Beim Betreuungsgeld hingegen werde ich belohnt, wenn ich eine Leistung nicht in Anspruch nehme. Wie paradox! Die CSU braucht sich nicht zu wundern, wenn demnächst Bürger auf sie zukommen und Geld vom Staat fordern, weil sie nie ins Theater oder Schwimmbad gehen.

Aber vielleicht haben die hohen Richter in Karlsruhe ja ein Einsehen mit der großen Koalition. Es wäre ihr und dem ganzen Land zu wünschen. Das eingesparte Geld könnte man dann gut in mehr und vernünftig bezahltes Kita-Personal stecken.