Druckartikel: Der Messias wohnt nicht im Weißen Haus

Der Messias wohnt nicht im Weißen Haus


Autor: Rudolf Görtler

Bamberg, Mittwoch, 07. November 2012

Barack Obama hat eine zweite Chance verdient. Dass man ihn zum Messias überhöht, hat er nicht verdient. Das Obama-Fieber ist ein Exempel für vor allem von den Medien geschürten Irrationalismus.
Barack Obama im Konfettiregen nach seinem Wahlsieg Foto: dpa


Ein Politiker dreht durch. Was ist nur mit dem Senator los?, rätseln seine Wahlkampfmanager. Der eigentlich erzkonservative Bulworth rappt mit Afroamerikanern, betrinkt sich und, vor allem, redet Klartext: Er macht sich lustig über Leute, die glauben, er würde einem Versicherungsunternehmen auf die Pelle rücken, von dem er eben eine große Spende eingesackt hat.

Unrealistisch? Natürlich. Es ist der Inhalt der wenig bekannten 1998 gedrehten Filmsatire "Bulworth" von und mit Warren Beatty. Dieser Tage erinnert man sich gerne wieder daran. Ach, schon vor vier Jahren, als ein neuer Messias herniedergekommen schien, mindestens. Barack Obama war Präsident der USA geworden, und siehe, alles ward gut. Die Sehnsucht halbinformierter Massen nach einer Heilsfigur - 2012 hätten ihn über 90 Prozent der Deutschen gewählt - ist ja gerade noch zu verstehen, aber auch die Journalistenmeute schien und scheint kollektiv den Verstand an der Garderobe ihrer Medienhäuser abgegeben zu haben. Was von einem einzelnen Mann erwartet worden war, konnte er überhaupt nicht leisten.

Er war kein aufgeklärter absoluter Herrscher Ende des 18. Jahrhunderts wie Joseph II., sondern hatte sich noch mit so Kleinigkeiten wie Verfassungsorganen und Gewaltenteilung herumzuschlagen. Der Friedensnobelpreis ein Jahr nach seinem Amtsantritt kann heute als gelungener Scherz des Osloer Komitees interpretiert werden. Obamas völkerrechtlich mindestens fragwürdiger Drohnenkrieg mit Hunderten von auch zivilen Toten, jede Exekution vom Präsidenten persönlich gebilligt, Guantánamo und die seit der Bush-Ära im Grundsatz unveränderte Außenpolitik dürften das belegen.

Dass für den US-Wahlkampf zirka sechs Milliarden Dollar verpulvert worden sind, dass amerikanische Abgeordnete die Hälfte ihrer Zeit mit Spendensammeln verbringen, dass die Verarmung weiter Teile der Bevölkerung munter voranschreitet, dass der sogenannte Sicherheitszaun an der Grenze zu Mexiko weiter besteht - das tat und tut der mythischen Überhöhung eines einzigen Mannes keinen Abbruch. Im Übrigen sollten deutsche Kommentatoren nicht allzu hämisch auf die Vereinigten Staaten zeigen. Auch hier gibt es so etwas wie Prekarisierung und Neue Rechte. Bloß ist kein Messias in Sicht.