Michail Chodorkowski ist frei. Doch zur Ikone des Widerstands gegen das System Putin taugt er nicht.

Michail Chodorkowski wird von vielen Medien im Westen ein Heiligenschein verpasst. Doch Chodorkowski ist kein Heiliger. Es sei daran erinnert, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine Verurteilung wegen krummer Geschäfte für rechtmäßig erklärt hat. Er ist nur einer von mehreren Oligarchen, die sich ihr Riesenvermögen bei den Privatisierungen am Ende der Sowjetzeit durch dubiose Deals ergaunert haben. Dass andere ungeschoren blieben, ändert nichts daran, dass man mit Chodorkowski keinen Unschuldsengel eingesperrt hat.

Sein Pech war, dass er der Strategie Putins in die Quere kam, die reichen Bodenschätze des darniederliegenden Landes wieder in staatliche Hände zu bringen und damit die Basis für den Wiederaufstieg Russlands zur Großmacht zu legen. Chodorkowski hat einfach die Zeichen der Zeit nicht erkannt.

Andere Oligarchen passten sich an oder suchten mit ihrem Vermögen rechtzeitig das Weite. Und so büßte Chodorkowski für seine illegalen Geschäfte und für seinen mangelnden Weitblick - verurteilt zwar aus politischen Motiven, aber nicht für politische Handlungen. Zum Oppositionsführer für Russland taugt er deshalb nicht. Chodorkowski selbst sieht das offenbar klarer als seine Freunde im Westen, die ihn doch nur für eigene Interessen instrumentalisieren wollen.

Diese Interessen sind wirtschaftlicher Natur, um Menschenrechte geht es höchstens in zweiter Linie. Sonst würde man diese nicht nur von Russland und - wie im Fall Timoschenko - von der Ukraine einfordern, sondern auch von der Türkei, die ebenfalls Mitglied des Europarats ist und die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet hat. Doch zum Umgang des türkischen Staates etwa mit kritischen Journalisten hört man aus dem Westen so gut wie nichts.