Trotz Freispruch: Jochen Nützel kann kein Happy-End für den 36-jährigen Ulvi Kulac erkennen.

Dem Fall Peggy ist mit dem einkassierten Mord-Urteil gegen Ulvi Kulac aus Lichtenberg ein weiteres spektakuläres Kapitel angefügt worden. Es ist ja erstaunlich genug, dass ein vom Bundesgerichtshof bestätigter Schuldspruch nicht nur neu aufs Tapet kommt, sondern in der Wiederaufnahme in einen Freispruch umgewandelt wird.

Doch es war schon extrem ungewöhnlich (um es vorsichtig zu formulieren), überhaupt jemals einen Mann mit dem IQ eines Achtjährigen für ein Tötungsdelikt zu verurteilen, von dem keiner letztlich sicher sagen kann, dass es auch eines war. Peggys Leiche, so es sie denn gibt, bleibt unauffindbar. Ulvi Kulac' Tatgeständnis könnte auf einer ihm attestierten blühenden Fantasie beruhen. Es könnte ihm aber auch, und dafür spricht manches, von Fahnderseite eingetrichtert worden sein auf Basis einer Tat hergangshypothese, von der angeblich nicht mal der damalige Chef der Sonderkommission gewusst habe, dass es sie gibt.

Womit wir in dieser Farce bei denen angelangt wären, die nie auf der Anklagebank Platz nehmen mussten: Ermittler, Juristen, Politiker. Um deren undurchsichtiges Verhalten ging es in der Wiederaufnahme leider nicht. Und es steht zu befürchten: Wer immer Kulac in irgendeiner Form bedrängt oder zumindest in eine bestimmte Richtung beeinflusst hat (oder andere anwies, das zu tun), kommt ohne Konsequenzen raus aus dieser für das deutsche Rechtswesen unrühmlichen Nummer.

Es gäbe nämlich durchaus interessante Fragen zu stellen. An den damaligen Innenminister Günter Beckstein zum Beispiel. Der hatte kurzerhand die Spitze der Soko I "Peggy" ausgetauscht, als kein Mörder präsentiert wurde. Jene Soko I, die Ulvi Kulac als Täter kurz im Visier, dann aber expressis verbis ausgeschlossen hatte.
Oder an die Polizeibeamten, die beim Geständnis dabei waren, just als das Aufzeichnungsgerät seinen Geist aufgegeben haben soll. Ein weiteres Kuriosum in der Causa Peggy.

Wohlwollend könnte man konstatieren: Es ist ja nochmals gutgegangen. In der Tat ist das Urteil revidiert worden, noch bevor der Schuldiggesprochene auch nur einen Tag dafür in Haft war. Kulac sitzt ja im Bezirksklinikum ein, weil er Kinder "missbraucht" hat. Sein Anwalt spricht von "Doktorspielen", der heute 36-Jährige soll sich vor Minderjährigen entblößt haben. Dafür erhältst du in Bayern 13 Jahre Psychiatrie. Ende? Offen. Manch brutaler Vergewaltiger kommt strafrechtlich milder davon.

Ulvi Kulac ist frei - und bleibt doch vorerst in Ketten, auch wenn er Freigang erhält. Dieses Kapitel hat noch kein Happy-End gefunden.