Joachim Gauck war schon mehrfach in Bayern, auch in Ausübung seines Amtes als Bundespräsident, und schon deshalb mutet der "Antrittsbesuch" an wie ein verstaubtes Ritual.

Zudem: Solche Reisen gelten im üblichen Sprachgebrauch anderen Staaten. Der Bundespräsident aber ist das Staatsoberhaupt aller Deutschen, und die Bundesländer sind kein Ausland, selbst der Freistaat Bayern nicht.

Was also soll ein "Antrittsbesuch" des Staatsoberhaupts, das sich selbst als Bürgerpräsident versteht, bei seinen Bürgern, aus deren breiter Zustimmung ihm erst, diesseits der protokollarischen Bedeutung des Amtes, politische Kraft erwächst?

Diese Frage gewinnt ihre Berechtigung auch aus der befremdlichen Art und Weise, mit der das Bundespräsidialamt Gaucks gestrigen Besuch in München in ein strenges Reglement presste, das vor allem darauf ausgerichtet schien, jegliche spontane Begegnung zu vermeiden.

Vereinzelte Bürger sah der Präsident allenfalls im Hofgarten hinter der Staatskanzlei, und im Landtag waren nur ohnehin angemeldete Besuchergruppen präsent. Dort war auch der Ärger der Volksvertreter nicht zu überhören: Die Abgeordneten störten sich an der Vorschrift des Bundespräsidialamts, Fragen der Fraktionen vorformuliert zur Auswahl einzureichen.

Ein kompletter Sieg des Protokolls also? Ja, wenn da nicht die Person des Joachim Gauck wäre. Der verkündete gleich fröhlich, dass er den ihm aufgeschriebenen Zettel lieber im Auto gelassen habe, und wandte sich vor allem an die Jugend, vertreten durch Realschüler aus Forchheim.

Dennoch: Was ist das für ein Apparat, der einem 73-jährigen Veteran vieler Schlachten nicht zutraut, auch auf eine blöde Frage eine gar nicht blöde Antwort zu finden?