"Zusammen packen wir's"
Autor: Diana Fuchs
Kitzingen, Freitag, 20. Dezember 2013
Über 10 000 Euro sind schon zusammengekommen. Der Traum vom Begleithund könnte wahr werden.
Es gibt Dinge im Leben, die einen einfach nur staunen lassen. Und riesig freuen. "Für das, was ich fühle, finde ich kaum Worte", sagt Susanne Till und ihre Augen glitzern feucht. "Es ist der Wahnsinn!"
Vor fünf Wochen haben "Die Kitzinger" und der "Report" über Susannes jüngsten Sohn berichtet, einen ganz besonderen kleinen Buben aus der Kitzinger Siedlung. Matthias Till kam viel zu früh zur Welt, es gab zahlreiche Komplikationen (Lungenriss, Hirnhautentzündung). Doch der kleine Blondschopf, so zart er auch war, erwies sich als Kämpfernatur.
Heute, mit drei Jahren, braucht er zwar noch viel Hilfe und muss weiterhin künstlich ernährt werden, aber er ist ein wissbegieriger Weltentdecker. Ein ausgebildeter Begleit- und Therapiehund ("Rehahund") könnte Matthias das Leben wesentlich erleichtern - und damit auch seinen drei Geschwistern und den Eltern. Doch ein speziell trainierter Hund kostet mit rund 25 000 Euro deutlich mehr, als die Tills es sich nach vielen kostspieligen Behandlungen leisten können.
Viele machen einfach mit
"Ein paar Tage, nachdem über Matthias berichtet wurde, war ich schon überwältigt von der Hilfsbereitschaft völlig fremder Menschen", berichtet Matthias' Mutter, die 34-jährige Susanne Till. Viele Menschen haben ganz im Stillen Geld überwiesen. Manche haben Glück- und Segenswünsche mit auf den Überweisungsträger geschrieben: "Wir drücken die Daumen", ist da zu lesen, oder: "Für einen treuen, vierbeinigen Begleiter". Einige Menschen und Gruppen wie Kindergärten oder Vereine haben sogar richtige Hilfsaktionen für Matthias aus dem Boden gestampft.
Zum Beispiel Alexandra Stöcklein aus Dettelbach. Die 41-Jährige, die ein Geschäft für Reitsport und Tierbedarf betreibt, wollte an einem Adventswochenende eigentlich einfach nur einen kleinen Glühweinstand aufbauen. Daraus wurde dann ein zweitägiges Fest für Matthias.
"Ich hatte so ein Gefühl"
"14 Tage vor dem Glühwein-Wochenende habe ich den Artikel über den kleinen Buben gelesen", erzählt die Dettelbacherin, die selbst zwei Kinder hat. "Und da hat's mich richtig gerissen." Alexandra Stöcklein beschloss zu helfen - obwohl sie Familie Till bis dato nur aus der Zeitung kannte. "Ich hatte einfach so ein intensives Gefühl", meint die 41-Jährige schulterzuckend. Ihr Mann Jürgen und Dieter Stadtel teilten dieses Gefühl und sagten gleich ihre Hilfe zu.
Zusammen mit ihrer Freundin Gisela Beuerlein klapperte Alexandra zunächst unzählige Geschäfte in Volkach und Kitzingen ab. Nicht überall wurden die beiden "Bettlerinnen" freundlich empfangen. "Aber wenn die Leute schon von Matthias gehört hatten, dann fanden sie unsere Idee super, eine große Tombola für den Kleinen zu veranstalten." 1300 Preise konnten Stöcklein und Beuerlein organisieren, vom Restaurantgutschein über Bücher, Bettwäsche, Hundefutter und Einkaufsgutscheine bis hin zu Fußbällen.
Die Dettelbacher Feuerwehr verlieh kostenlos ihren Anhänger für die Hilfsaktion, ein Bekannter der Stöckleins spendierte Glühwein, ein Kitzinger Unternehmen stellte eine große Verkaufsbude zur Verfügung und eine Druckerei kümmerte sich unentgeltlich um Info-Plakate. Schließlich stellte auch ein Ponykutschen-Besitzer seine Dienste ehrenamtlich zur Verfügung. "Eins kam zum anderen, viele haben mit angepackt und 40 Leute haben Kuchen gebacken", freut sich Alexandra Stöcklein. Und die gemeinsame Anstrengung hat sich gelohnt: 3100 Euro konnten für Matthias' Rehahund überwiesen werden.
"Das ist fantastisch. Ich bin einfach nur überwältigt!" Susanne Till schüttelt gerührt den Kopf. Sie hielt gestern den aktuellen Kontoauszug in Händen: 10.949,84 sind bereits eingegangen. Dazu kommen noch einige Aktionen, die erst in den vergangenen Tagen gelaufen sind. "Die allermeisten Spender kenne ich nicht. Aber ich möchte jedem Einzelnen sagen, wie dankbar wir sind."
Die enorme Hilfsbereitschaft trägt schon Früchte, auch wenn insgesamt noch die Hälfte der Summe für die Spezialausbildung des Rehahundes fehlt: Thomas Gross, 2. Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins Rehahunde e.V., bestätigte gestern, dass zwei Hunde, die derzeit die Grundausbildung durchlaufen, für Matthias in die engere Wahl genommen wurden. Demnächst soll eine persönliche Begegnung stattfinden.
"Wir staunen über die Resonanz auf den Artikel und freuen uns riesig", sagt Susanne Till und umarmt Alexandra Stöcklein herzlich. Seit die beiden Frauen sich durch die Spendenaktion persönlich kennen gelernt haben, ist eine richtige Freundschaft entstanden. "Zusammen packen wir's!", macht Alexandra Stöcklein den Tills Mut für die entscheidende Etappe auf dem Weg zum Rehahund.
INFO:
Vierbeinige Helfer
Verein: Der Rehahunde-Deutschland e.V. (Sitz: Tessin bei Rostock) ist ein gemeinnütziger Verein und bildet für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen Rehabilitationshunde aus, die ihnen im Alltag helfen, ihnen mehr Akzeptanz, mehr Freiraum, mehr Lebensqualität geben und - vor allem - gut für die Seele sind.
Kosten: Rehahunde werden mindestens anderthalb Jahre gezielt auf ihre speziellen Aufgaben vorbereitet. Insgesamt entstehen dabei Kosten von rund 25.000 Euro, die nicht von öffentlichen Kassen getragen werden.
Spendenkonto: Rehahunde-
Deutschland e.V., Rostocker Volks- und Raiffeisenbank eG, Kto-Nr.: 2534118, BLZ: 13090000, Verwendungszweck "Matthias Till".
Info: www.rehahunde.de. Wer möchte, kann sich auch direkt mit Susanne Till in Verbindung setzen: Tel. 0170/ 3150360. ldk
Kommentar
Heimliche Helfer
von unserem Redaktionsmitglied Diana Fuchs
Die Welt ist ungerecht, denk' ich manchmal. Und reg' mich schrecklich über Dinge auf, die ich allein nicht ändern kann. Und dann ist die Freude auf einmal riesengroß, wenn das Wunder geschieht. Wenn die heimlichen Helfer kommen und die Welt plötzlich viel schöner machen.
Fünf Wochen ist es etwa her, dass "Die Kitzinger" und der "Report" über einen kleinen Jungen berichtet haben, der viel zu früh zur Welt kam und sich seither mit bewundernswerter Energie ins Leben kämpft. In ein Leben, dass so viel schwieriger ist als das der meisten anderen Kinder.
Natürlich hatte unsere ganze Redaktion die heimliche Hoffnung, dass Matthias' Schicksal den einen oder anderen Leser berührt und dass ein paar Euro zusammenkommen, mit denen das Projekt "Begleit- und Therapiehund für Matthias" ins Rollen kommen kann. Was tatsächlich geschah, übertraf die kühnsten Hoffnungen um ein Vielfaches.
78 Menschen, Vereine, Unternehmen und Gruppen haben für Matthias gespendet und je einen Betrag zwischen 10 und 3100 Euro überwiesen. Insgesamt betrug der Kontostand gestern stolze 10.050 Euro. Und einige Aktionserlöse stehen sogar noch aus. Damit ist rund die Hälfte der Summe bereits aufgebracht, die ein speziell für Matthias ausgebildeter Rehahund kostet.
Das Berührendste daran: Viele Menschen kennen Familie Till überhaupt nicht. Sie haben in Fremde investiert, haben sich Projekte einfallen lassen, mit denen sie Geld für einen völlig unbekannten Buben verdient haben. Manche sind sogar von Haus zu Haus gezogen und haben Tombolapreise gesammelt - ein aufreibendes Unterfangen.
Es stimmt: Auf der Welt geht es oft ungerecht zu. Aber so lange es heimliche Helfer gibt, die ohne Aufhebens, aber mit umso mehr Engagement, Herzblut und auch Geld helfen, ist die Welt ein wirklich wunderbarer Ort.