Zimmerbrand, weil das Gebiss nicht da war
Autor: Franz Barthel
Kitzingen, Mittwoch, 03. Juli 2013
Ein fehlendes Gebiss war letztendlich dafür verantwortlich, dass es in der Siedlung im August 2012 brannte. Nicht die einzige Überraschung in diesem Prozess.
Ungewöhnliches Fazit nach einem Verhandlungstag vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Würzburg: Gebrannt hat es in der Nacht zum 9. August 2012 in einer Wohnung in der Kitzinger Siedlung nur deshalb, weil sich der Mieter bei einer Grill-Fete in Würzburg ohne Zähne beim Kauen schwer tat und deswegen sein Gebiss in Kitzingen holen wollte.
Vor Gericht steht ein 61 Jahre alter Mann aus dem Landkreis Kitzingen, gelernter Konfektionsschneider, gezeichnet vom jahrelangen Konsum harter Drogen. Zuletzt hat er sich täglich am späten Vormittag bei einer Ärztin in Würzburg seine Tagesdosis des Ersatzstoffes Metadon abgeholt. Einen schweren Leberschaden hat er auch, was ihn nicht vom Trinken abhielt. Sein Leben spielte sich zuletzt ab zwischen Notwohnung und Bahnhofsszene.
Der Mann mit grauem Pferdeschwanz und glaubhaften Erinnerungslücken ist unter anderem wegen schwerer Brandstiftung angeklagt, weil es ihm egal gewesen sei, dass da andere Hausbewohner gefährdet wurden. Sein Alkoholpegel lag zu der Zeit bei 2,5 Promille oder darüber. Fest steht, dass die städtische Einfachst-Wohnung zu der Zeit keinen Stromanschluss hatte. Um sein Gebiss zu finden hat der Mann sich von einer Nachbarin einige Teelichter geben lassen, Kerzen hatte die nicht.
Drei Teelichter habe er angezündet, erinnert sich der Angeklagte . Bei der Gelegenheit habe er feststellen müssen, dass Wohnungsnachbarn ihm die Wohnung total vermüllt haben, während er eine Woche weg war. 30 Zentimeter habe der Abfall in der Wohnung gelegen. Wie es dann zu dem Feuer kam, könne er sich nicht erklären, nur vermuten. Vielleicht habe er mit dem Fuß Müll weggeschoben und sei zu nahe an eines der Teelichter heran gekommen. Als er Feuer sah, habe er es ausgetreten und sei, weil die Zimmertür blockiert war, durchs Fenster geflohen, um Hilfe anzufordern.
Auf keinen Fall habe er den Brand vorsätzlich gelegt, sagte der Angeklagte, denn es war ja noch sein Gebiss in der Wohnung und das ist mit verbrannt. Man hört und sieht es ihm an, dass er noch keinen Ersatz im Mund hat. Weil er nach Aussage von Nachbarn einige Wochen vorher gesagt haben soll, dass er den ganzen Wohnblock mal in die Luft jagt, wird er festgenommen. Gestern sagte ein Zeuge, der Angeklagte habe das mehr im Spaß gesagt, mit dem Zusatz, " aber ich sag euch rechtzeitig vorher Bescheid".
Zweiter Punkt der Anklage: Der Mann ist während der Untersuchungshaft vorübergehend in das Würzburger Juliusspital verlegt worden und hatte dort rund um die Uhr einen Beamten der Justizvollzugsanstalt vor der Zimmertür. Den hat er eines Tages gebeten, ihm kurz mal die Fußfessel abzunehmen, um die Toilette aufsuchen zu können. Als der Beamte ihm die danach wieder anlegen wollte, besprühte der Patient ihn mit einem Desinfektionsmittel aus der Dusche, unter anderem voll ins Gesicht.
Während das Opfer nach draußen floh, um sich die Augen auszuwaschen, hatte der Patient die Zimmertür von innen verbarrikadiert,. Er schlug mit einem Hocker die angeblich bruchsichere Fensterscheibe des Zimmers ein und flüchtete aufs Dach der Klinik. Allerdings ließ er sich anschließend von Polizeibeamten zur Rückkehr bewegen.
Das hat der Angeklagte rundum zugegeben und sich dafür entschuldigt: Er sei sauer gewesen darüber, dass er "wie ein Hundsköter an die Kette genommen wurde". So aggressiv wie an dem Tag kenne er sich gar nicht. Er sei noch nie in eine Schlägerei verwickelt gewesen, seine drei Söhne könnten bestätigen, dass sie nie von ihm geschlagen wurden.
Eine Zeugin (19), Wohnungsnachbarin des Angeklagten, hat auf Frage des Gerichts nach ihrem Beruf "schwanger" angegeben. Sie hat der Vorsitzende Richter Burkard Poepperl darauf hingewiesen, dass es sich dabei um einen vorübergehenden Zustand und nicht um einen Beruf handelt. Es wurde darauf hin"ohne Beruf" im Protokoll festgehalten. Ein weiterer Zeuge, ehemaliger Bewohner des Wohnblocks in dem es brannte, ist knapp an einer Ordnungsstrafe vorbei geschrammt: Er kam in Short und Unterhemd, aber da er vermutlich zum ersten Mal vor Gericht stand und neben bei berichtete, dass er inzwischen die Siedlung verlassen und den vorübergehend hohen Alkoholkonsum eingestellt hat, drückten die Richter trotz des ungewöhnlichen Outfits beide Augen zu.
Übrigens: Die Grill-Fete am Mainufer in Würzburg hatten Freunde für den Angeklagten organisiert, zu seinem Geburtstag. Eigentlich wollte er in der Nacht mit Gebiss wieder nach Würzburg zurückfahren. Eine Freundin habe auf ihn gewartet.
Die Verhandlung wird am Freitag fortgesetzt und soll auch mit der Urteilsverkündung zu Ende gehen.