Zerreißprobe Erbschaft
Autor: Daniela Röllinger
Kitzingen, Dienstag, 28. Januar 2014
Wer Erb-Konflikte vermeiden will, muss rechtzeitig mit der Familie reden. Ein Mediator kann helfen.
Wer ans Erben denkt, der denkt ans Geld. An Häuser, an Grundstücke, an Schmuck. Vielleicht auch an Streit. Streit über die Frage, wer was bekommt. Den gibt es oft. Warum das so ist, weiß Dieter Schirm. Es ist fast nie die Geldgier, die dahinter steckt. "Es geht um Bedürfnisse, die nicht befriedigt wurden", weiß der anwaltliche Mediator.
Zu Beginn des Gesprächs sitzt Dieter Schirm hinter seinem Schreibtisch, dem Gesprächspartner gegenüber. So, wie man es gewöhnt ist, wenn man einen Termin bei einem Anwalt hat. Doch Schirm ist nicht nur Fachanwalt für Familien- und Erbrecht in Kitzingen, er ist auch ein von der Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation e.V. anerkannter Mediator, der einzige in Kitzingen.
Schon nach kurzer Zeit wechselt er die Position, nimmt neben dem Gesprächspartner Platz. So wie er es immer dann macht, wenn er als Mediator, also als Vermittler, tätig ist.
Seine Ausbildung als Mediator kann Dieter Schirm bei Trennungen und Scheidungen oft nutzen - bei Erbangelegenheiten so gut wie nie. Dabei wäre eine Mediation eine gute Möglichkeit, eine juristische Auseinandersetzung, einen Krieg vor Gericht, zu vermeiden. "Aber die Konflikte sind so groß, dass die Leute nicht bereit sind, sich an einen Tisch zu setzen", bedauert der Mediator. Sie ziehen vor Gericht, einer geht als Sieger aus der Sache hervor, der andere verliert. Zwar gibt es vor Gericht ebenfalls noch die Möglichkeit einer Mediation, aber diese nutzen auch nicht viele. Zwei Mal hat Schirm das bislang erlebt. Und er ist schon lange im Job.
"Die Leute wissen zu wenig, dass es auch möglich wäre, einen Erben-Konflikt vernünftig zu lösen", sagt Schirm. Vernünftig lösen heißt, dass es eben keinen Verlierer geben soll. Dazu müssen alle miteinander reden. Dazu muss man versuchen, sich auch in die Situation des "Gegners" hineinzuversetzen - denn zu einem solchen sind Bruder oder Schwester zu diesem Zeitpunkt schon geworden.
Die Wurzel für die Auseinandersetzung reicht oft zurück bis in die Kindheit. Alle gefühlten Ungerechtigkeiten kommen wieder nach oben. "Du warst ja schon immer Mamas Liebling. War ja klar, dass Du jetzt die Goldkette bekommst." Oder ein anderer häufiger Streitpunkt: "Ich habe mich viel mehr um Papa gekümmert als Du. Und jetzt kriegst Du genauso viel." Da sind Gefühle im Spiel, und die muss man offen legen. Der eine muss sie aussprechen. Der andere hört erst mal nur zu, Unterbrechungen sind nicht erlaubt. Dann kommt der andere an die Reihe. Nur so kann Verständnis füreinander entstehen, nur so gibt es statt des Gegeneinanders vielleicht doch noch ein Miteinander. Auch wenn Schirm ganz klar sagt: Die Mediation ist keine Therapie.
Gibt es mehr Streit, wenn es um große Vermögen geht? Der Jurist verneint die Frage. Meist geht es bei bei Erbstreitigkeiten gar nicht um die großen Werte. Wer mehrere Häuser und Grundstücke oder gar eine Firma zu vererben hat, setzt sich schon frühzeitig mit der Frage auseinander, wer was bekommt. Er ist zudem den Umgang mit Steuerberatern oder Juristen gewohnt, die rechtzeitig darauf aufmerksam machen, wie sich Probleme vermeiden lassen.
Dass dies möglich ist, wenn man sich frühzeitig mit dem Thema befasst, ist vielen Menschen nicht bewusst, sagt Dieter Schirm. Viele Eltern denken: Die Kinder werden das schon irgendwie machen, wenn wir alt oder gestorben sind. "Es ist aber ganz wichtig, rechtzeitig mit den Kindern zu reden", weiß der Mediator: Was will jeder einzelne, was braucht jeder einzelne? Wer ist bereit, sich um die Eltern zu kümmern, wenn die sich mal nicht mehr selbst versorgen können. Wie steht man zum Thema Pflegeheim? Wer würde die Kosten tragen? In solchen Gesprächen wird schnell deutlich, wo es Uneinigkeiten gibt. "Da kann man intern schon gute Vorarbeit leisten." Das geht alleine im Familienkreis oder eben mit Hilfe eines Mediators.
Schirm weiß von Gesprächen mit älteren Menschen: "Es ist eine enorme Erleichterung, wenn man alles geregelt hat." Für die Regelung der Belange von Personen, die älter werden, gibt es sogar eine gesonderte Bezeichnung: die so genannte "Elder Mediation".
Auch wenn bei einer Mediation alle Gesprächspartner zusammensitzen - ein wildes Herumdiskutieren ist sie nicht, sondern ein strukturiertes Verfahren. Erst einmal werden die verschiedenen Positionen erarbeitet. Welche Interessen haben die Beteiligten, was steckt dahinter? Welche Bedürfnisse gibt es - und welche Befürchtungen? "Das ist die schwierigste Phase", sagt Dieter Schirm. "Weil die sich aufs Herz bezieht und nicht auf den Kopf." Hat man diese Punkte eruiert, lassen sich Optionen erarbeiten, man kann der Frage nachgehen, wie diese Bedürfnisse befriedigt werden können. Schließlich wird ein Angebot verhandelt, eine Vereinbarung getroffen.
Wie lange eine Mediation dauert, hängt von den Beteiligten ab. Zwei bis drei Mal sitzt man in der Regel schon zusammen, bis klar ist, wohin es geht. Ist der Konflikt aber schon da und sitzt er tief, dauert es länger.
Ist Schirm nun lieber Anwalt oder lieber Mediator? Die Mediation, sagt er, ist nur ein Bruchteil seiner Arbeit, aber es ist der befriedigendere Teil. Denn die Lösungen sind dauerhafter, als wenn es wie vor Gericht Gewinner und Verlierer gibt. "Da bricht der Konflikt dann oft wieder auf."
Die Mediation
Der Begriff
In der Mediation werden Konflikte mit Hilfe eines neutralen Dritten, des Mediators, eigenverantwortlich geregelt. Die Beteiligten bestimmen selbst, welche Themen besprochen werden und welche Probleme gelöst werden sollen. Es gibt Mediatoren, die Juristen sind, aber auch Mediatoren aus anderen Bereichen.
Die Kosten
Eine Meditation wird im Normalfall nach Stundensätzen abgerechnet, bei Beratungsstellen teilweise auch auf Spendenbasis. Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation liegt der Stundensatz in der Regel zwischen 80 und 200 Euro. Sie rät, vor einer Beratung nachzufragen, mit welchen Kosten zu rechnen ist.
Info
Informationen zum Thema gibt es unter anderem bei der Bundesarbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation unter www.bafm-mediation.de