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Wollte der Vater seinen Sohn töten?


Autor: Franz Barthel

Kitzingen, Montag, 17. Juni 2013

Ein 60-jähriger Rentner versichert vor dem Schwurgericht : Mein Sohn ist mir in den Dolch gefallen.


Mit über 2,5 Promille und einem Zier-Dolch mit 51 Zentimeter Klingenlänge soll ein Rentner in Kitzingen seinem ebenfalls nicht nüchternen 35 Jahre alten Sohn verletzt haben. Bei einer heftigen Auseinandersetzung habe der Vater dem Sohn unter anderem in den Brustkorb und Rücken gestochen. So heißt es in der Anklage.

Vor dem Schwurgericht sagte der Sohn gestern: "Der Vater wollte mich nicht verletzen und schon gar nicht töten." Er, der Sohn, sei vielmehr in den Dolch "reingefallen". Tatort war eine sehr kleine Zwei-Zimmer-Wohnung in der Siedlung. Dort lebte der Rentner (60) mit Ehefrau und Sohn.

Zum Saufen verführt?

Dass es ein Unglücksfall war, versicherte zuvor bereits der wegen versuchtem Totschlag und gefährlicher Körperverletzung angeklagte Rentner. "Das schwöre ich auf die Bibel und auf den lieben Gott". Er sei an jenem verhängnisvollen Sonntagnachmittag im September sauer gewesen, weil der Sohn in seinem Zimmer Musik bei voller Lautstärke hörte und außerdem einen Bekannten zu Gast hatte, der seinen Sohn immer nur zum Saufen verführte. "Bitte ein bisschen leiser", habe er erst durch seine Ehefrau übermitteln lassen und danach selbst darum gebeten: Ohne Erfolg.

Deswegen habe er seinen Sohn und den Bekannten aufgefordert, aus der Wohnung zu verschwinden, aber schnell. Um ernst genommen zu werden, habe er den Zier-Dolch von der Wand genommen und ihn als Wegweiser für die beiden Störer eingesetzt: Die Spitze mit mäßiger Schärfe, wie ein Gutachter später feststellte, zeigte zur Tür. Taugenichtse habe er die beiden genannt und auf den Saufkumpan seines Sohnes sei er sauer gewesen, weil sein Sohn bereits einen Leberschaden und nur noch eine Niere hat.

Mit dem Dolch habe er, so der Rentner, niemals zustechen und seinen Sohn nicht einmal bedrohen, sondern nur erschrecken wollen. Um das zu erklären, holte der aus Russland stammende Mann aus: Er habe es als Kind immer wieder erlebt, dass sein Vater, wenn die Kinder nicht folgen wollten, den Gürtel aus seiner Hose zog und so tat, als wolle er die Kinder damit verprügeln. Dazu sei es jedoch nie gekommen, weil die Kinder sofort auf brav umgeschaltet haben, wenn der Vater zum Gürtel griff. So sei das auch mit dem Zier-Dolch gedacht gewesen.
Sein Sohn habe aber offensichtlich vor dem Bekannten den starken Mann spielen und dem Vater den Dolch abnehmen wollen. Bei dem Gerangel seien beide gestürzt, der Vater lag mit dem Dolch unten und der Sohn soll in die Dolchspitze gestürzt sein.

Nach dem Aufstehen ein Bier

Weitere Schnittverletzungen hatte der Sohn erlitten, als er durch starken Blutverlust bereits geschwächt und dem Kollaps nahe, das Zimmer verlassen wollte und durch die Glasfüllung einer Türe gefallen war.

Weil der Sohn keine Arbeit fand und deswegen auch keine Wohnung und weil er viel getrunken hat, soll es in der Familie häufig Streit gegeben haben. Er schlafe meist bis gegen 11 Uhr früh, so der Sohn gestern vor dem Schwurgericht. Nach dem Aufstehen schalte er den Computer ein und trinke, wie am Tattag auch, erst mal ein oder zwei Bier.

Seine drei Kinder seien für ihn das Wichtigste und Wertvollste im Leben, versicherte der Angeklagte vor Gericht. Um den Sohn, der mit einer Körperbehinderung zur Welt kam und es daher von Anfang an nicht leicht hatte, habe er sich besonders gekümmert und werde das auch weiter tun.

Eine leichte Schärfe kam in den Prozess, als Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen ebenso wie die Richter den Eindruck hatten, dass der Sohn als Zeuge seinem angeklagten Vater mit der "Unfallgeschichte" helfen wolle und dabei das Geschehen zum Teil abweichend von der Darstellung des Vaters schilderte. Der Vater will zum Beispiel vom Sohn, bevor er den Dolch holte, aufs übelste beschimpft worden sein,. Der Sohn behauptete, solche Ausdrücke würden ihm nie über die Lippen kommen.

Angeblich, so der angeklagte Rentner, trinke er selten viel. An dem Tag hab er ausnahmsweise mal kräftig zugelangt, weil es der Todestag seines Schwagers war und zur Erinnerung an den hat er mit einem Landsmann, der vorbeikam und Pflaumenwein mitbrachte, die Trauer weggespült. Zwei oder drei Tetra-Pack Wein hat er dann auch noch allein geleert und zwei oder drei Flaschen Bier. Er verfluche den Tag, der so viel Unglück über seine Familie gebracht hat.

Das Schwurgericht verhandelte bei knapp 30 Grad im Sitzungssaal, die Klimaanlage war angeblich in Betrieb, schaffte es aber nicht, Abkühlung in den Sitzungssaal 17 des Landgerichts zu bringen. Darauf hat es der Vorsitzende Richter Burkard Poepperl den Prozessbeteiligten freigestellt, die schwarze Robe auszuziehen. Die Verhandlung wird am Mittwoch fortgesetzt.