Wer hat den Kaffee vergiftet?
Autor: Franz Barthel
Würzburg, Donnerstag, 04. April 2013
Der Anwalt rüffelt lasche Ermittlungen im Engelstrompeten-Prozess. Seine Mandantin bestreitet nach wie vor den Versuch, ihren Ex-Geliebten und Mediziner mit vergifteten Kaffee umzubringen.
Die Blüten mannshoher Engelstrompeten waren jahrelang der Blickfang im Garten eines Würzburger Mediziners. Dass sie als langjährige Geliebte ihres Hausarztes einen Extrakt der hochgiftigen Pflanze in den Wassertank der Kaffeemaschine geschüttet haben soll, bestritt die 50 Jahre alte Frau mit deutschem und russischem Pass auch am zweiten Verhandlungstag vor dem Schwurgericht. Sie ist dort wegen Mordversuch angeklagt.
Die Frau war von dem "rüstigen" Mediziner (69) als offizielle Geliebte "ausgemustert", aber für Arbeiten im Haus und Garten weiterbeschäftigt worden. Dass Rache ein Motiv gewesen sein könnte, den Arzt und seine neue Lebensgefährtin, eine Lehrerin, "über die Kaffeemaschine" zu vergiften, hat die Kitzinger Rechtsanwältin Susanne Kilian am Donnerstag als Zeugin bezweifelt.
"Sachen gibt's", stöhnte ein Zuhörer und andere schüttelten nur mit dem Kopf, als gestern die Ehefrau des Arztes aussagte, der den Giftanschlag aus der vollautomatischen Kaffeemaschine fast nicht überlebt hätte. "Wir verstehen uns nach wie vor wunderbar" versicherte sie dem Gericht,. Sie sei bei ihm nur deswegen ausgezogen, weil sie aus gesundheitlichen Gründen die vielen Treppen des an einem Hang liegenden Hauses mit mehreren Terrassen nicht mehr schaffte. Nach wie vor arbeite sie in der Praxis ihres Mannes als Sprechstundenhilfe mit. Sie wisse von dessen wechselnden Partnerinnen, aber das sei für sie kein Thema.
Gelegentlich gehe man gemeinsam aus, zum Essen oder zu kulturellen Events,. Sie sei nicht eifersüchtig, jeder habe Schlüssel zur Wohnung des anderen. Dass die Angeklagte als Lebensgefährtin ihres Mannes in dessen Bekanntenkreis nicht gut ankam, sei ihr zugetragen worden, beurteilen könne sie die Beziehung nicht. Sie wisse nur, dass die scheinbar so devote Russin auch sehr provozierend auftreten konnte.
Ansonsten konnte die Zeugin über die Frau aus Moskau eigentlich nur Gutes berichten: Hervorragend habe die den Garten gestaltet und in Schuss gehalten, während sie bereits Probleme dabei hatte, dass die Küchenkräuter überleben. In Erinnerung blieb ihr, dass die Angeklagte, ausgerechnet als man gemeinsam Weihnachten feierte - das Fest der Liebe - davon sprach, das es im russischen Internet Gesprächs-Foren darüber gebe, wie man als Frau den Ehemann töten könne ohne dabei Spuren zu hinterlassen. Vertieft habe man das Thema damals nicht, weil Weihnachten war.
Burkard Pöpperl, der Vorsitzende des Schwurgerichts, hat am Donnerstag ebenso vorsichtig wie eindeutig zu erkennen gegeben, dass er der Angeklagten nicht glaubt, wenn sie bestreitet, nachts Gift in den Wassertank der Kaffeemaschine des Mediziners geschüttet zu haben. Das Gericht sei zwar nach wie vor nach allen Seiten offen, sagte er. Wenn es die Angeklagte aber gewesen sein sollte, dann sei ihr Verteidigungskonzept nicht besonders günstig: Weil das Gericht dann ja nicht zu ihren Gunsten hinterfragen könne, warum sie das gemacht hat.
Frank Barthel, der Verteidiger der Angeklagten, ist der Meinung, dass in der Sache lasch ermittelt und die Ex-Geliebte des Allgemeinarztes vorschnell zur einzig möglichen Täterin erklärt wurde, weil die ein Motiv gehabt habe und eine enge Beziehung zu den von ihr betreuten Engelstrompeten im Garten: In über 600 Seiten der Ermittlungsakten gebe es kein einziges Foto vom Tatort oder von den giftigen Pflanzen. Erst jetzt, fast eineinhalb Jahre nach der Tat, habe die Staatsanwaltschaft in dieser Woche die Kripo zu Nachermittlungen in die Wohnung des Arztes geschickt. Dort ist, wie der Sachbearbeiter der Kripo gestern berichtete, zum Beispiel das Fassungsvermögen des Wassertanks der Kaffeemaschine ermittelt und eine der Tassen sicher gestellt worden, die bei dem Anschlag benutzt wurden, beim Frühstück des Mediziners mit seiner damaligen Lebensgefährtin am Morgen des 28. November 2011.
Fest steht inzwischen, dass der Prozess nicht, wie geplant, am dritten Verhandlungstag zu Ende geht: Eine Rechtsmedizinern ist "ausgefallen", schuld daran, dass sie ihr Gutachten gestern nicht erstatten konnte, sind nicht die von ihr untersuchten Engelstrompeten und deren Gift, sondern eine klassische Erkältung.
Donnerstag, 11. April, Dienstag 16. und Dienstag 23. April sind weitere Verhandlungstage, da einer der Richter des Schwurgerichts auch in einem anderen Großverfahren beteiligt ist.