Wer einmal hier wohnt, kommt schwer wieder raus
Autor: Diana Fuchs
Kitzingen, Mittwoch, 21. Februar 2018
Die Wohnungen im Kitzinger Notwohngebiet sind seit Jahren in einem desolaten Zustand. Doch die Stadt ändert nichts. Nach einer TV-Sendung gehen viele Hilfsangebote ein.
Marion Warschechas Gefühlsleben schwankt zwischen Freude und Bedrückung. Wenige Tage, nachdem die ehrenamtliche Helferin und die parteilose Stadträtin Andrea Schmidt zu Gast bei „Stern-TV“ (RTL) waren und dort über die Zustände im Kitzinger Notwohngebiet berichtet haben, häufen sich die privaten Hilfsangebote. „Per Facebook, Mail oder ganz direkt nehmen Menschen Kontakt zu mir auf und möchten uns unterstützen“, sagt die 50-jährige Kitzingerin. „Das ist wunderbar. Andererseits: Der desolate bauliche Zustand der vier Wohnblocks in der Siedlung wird sich so schnell wohl nicht verbessern.“ Einige Wohnungen haben keine Bäder, in anderen gibt es nur kaltes Wasser und in vielen wuchert der Schimmel.
Extrem niedrige Miete
Oberbürgermeister Siegfried Müller (Unabhängige Soziale Wählergruppe) hatte in einer Pressekonferenz zum Thema gesagt, die Wohnungen seien schließlich nur für einen kurzen Aufenthalt von maximal drei Monaten gedacht.. Allerdings ist jedem, auch Müller, klar: Wenn sich die Lebensumstände der Menschen in diesen drei Monaten nicht erheblich verbessern, passiert schlicht und ergreifend: gar nichts. „Natürlich wissen wir, dass die extrem niedrige Miete von 2,50 Euro pro Quadratmeter viele bleiben lässt, weil andere Wohnungen zu teuer sind", sagt Müller.
An diesen Missständen wird wohl auch der Beitrag in der TV-Sendung nichts ändern können.
Vermehrte Einweisungen in den vergangenen Jahren haben das Problem noch verschärft. Insgesamt leben derzeit 110 Gemeldete im Notwohngebiet, aber es ist wahrscheinlich, dass weitere Nicht-Gemeldete dazugezählt werden müssen. Die Abwärtsspirale zu stoppen, sei nicht Sache der Stadt. „Wir sind als Obdachlosenbehörde nur die letzte Instanz“, sagt Müller. Man müsste die Menschen schon viel früher begleiten, um den sozialen Absturz zu verhindern, sagt der OB. Etwa durch die Angebote der Familien- oder Jugendfürsorge.
Obdachlose und Dauermieter
Aber könnte die Stadt nicht selbst aktiv werden? Stichwort: sozialer Wohnungsbau? Oder Wohnungen sanieren und selbst jemanden einstellen, der sich gezielt um die Notwohner kümmert? „Das ist eine politische Entscheidung des Stadtrates“, sagt Müller und verweist auf ein seit 2017 laufendes „Symposium“ aus Behörden und Wohlfahrtsverbänden, dessen Ziel es sei, die Situation im Notwohngebiet zu verbessern und „eine Trennung zwischen Obdachlosen und Dauermietern hinzubekommen“. Wann und wie dies vonstatten gehen könnte, wagt Müller nicht zu prognostizieren. „Klar ist, dass das nicht von heute auf morgen geht.“
So werden die Notwohner also wohl noch eine ganze Weile in ihrem „Ghetto“ leben müssen – zum Glück unterstützt von ehrenamtlichen Helfern, die die Begegnungsstätte „Wegweiser“ regelmäßig öffnen und dort die Möglichkeit zum Duschen sowie vielfältige individuelle Hilfe bieten. Marion Warschecha ist eine der Engagierten. Sie sagt: „Das Ehrenamts-Team wird in jeglicher Hinsicht allein gelassen. Es gibt keine soziale Unterstützung seitens der Stadt, keine Sozialarbeiter oder Ähnliches.“
Wohnungen ohne Bad
Und es fehle schlichtweg an schimmelfreien, hygienisch unbedenklichen Wohnungen. „Warum werden Familien oder alleinerziehende Mütter mit Kindern überhaupt in ein Zwölf-Quadratmeter-Zimmer gesteckt, in dem sich kein Bad befindet und die Wände schimmeln und zwar nicht, weil die Bewohner schlecht lüften würden, sondern weil das Dach undicht ist, die Wände nass sind und Fenster nicht richtig schließen? Unter solchen Umständen sollte kein Kind leben und auch kein erwachsener Mensch.“