Wenn Priestern der Burn-out droht
Autor: Pat Christ
Würzburg, Montag, 05. November 2012
Theologe Klaus Roos hilft gestressten Priestern in der Diözese. Die Nachfrage steigt stetig.
Gute Vorsätze sind schnell gefasst. Und schwer umzusetzen. Das gilt auch für Priester. So sind nicht wenige unzufrieden damit, wie ihre Arbeit läuft. Schaffen es aber aus eigener Kraft nicht, gute Lösungen zu finden. Immer mehr Pfarrer lassen sich darum auf eine Supervision ein. "Was bedeutet, dass sie sich jemanden holen, der mit ihnen zusammen die Probleme anschaut", so Dr. Klaus Roos, der seit 25 Jahren als Pastoralsupervisor in der Diözese Würzburg tätig ist.
Supervision kann verhindern dass es zu einer Zwangspause durch Burn-out kommt, so Roos. Davon seien Seelsorger dieser Tage genauso betroffen wie Lehrer und Sozialarbeiter. Auch in der Diözese geschieht es immer wieder, dass Priester für mehrere Monate ausfallen, weil sie ausgebrannt oder durch Stress schwer krank geworden sind. Gründe hierfür gibt es viele. "Priester bekommen zum Beispiel oft Schicksalsschläge in Familien mit", sagt Roos. Doch weil sie alleine leben, haben sie niemanden, mit dem sie sich hierüber austauschen können. Stress erzeugt aber auch der immense Arbeitsanfall durch die Zusammenlegung von Pfarreien zu Pfarreiengemeinschaften.
Nicht selten kommt es zu atmosphärischen Störungen zwischen dem Pfarrer, der nun für fünf Gemeinden gleichzeitig zuständig ist, und den Ehrenamtlichen vor Ort, die einen intensiven Kontakt zum Priester wünschen.
Roos schildert das Beispiel eines von ihm begleiteten Priesters, der schier in Arbeit erstickte. Fassungslos hörte er, wie ein Ehrenamtlicher eines Tages zu ihm sagte: "Was tun sie eigentlich den ganzen Tag? Bei uns haben sie sich jedenfalls schon lange nicht mehr blicken lassen!" Eine Aussage, die den Priester persönlich traf und tief verletzte. Roos: "In diesem Fall ging es in der Supervision darum, eine innere Distanz zu dieser Aussage zu finden."
Nicht nur Priester, die von Arbeit aufgefressen werden, wenden sich an Klaus Roos und seine Kollege aus der Arbeitsgemeinschaft Supervision im Bistum Würzburg. Roos: "Zu uns kommen auch Pastoral- und Gemeindereferenten, Diakone, Ehrenamtliche, Religionslehrer und Mitarbeiter aus dem Ordinariat." Der Bedarf wächst. Insgesamt 200 Menschen aus der Diözese ließen sich im vergangenen Jahr auf eine Supervision ein, 50 mehr als noch vor fünf Jahren. Zum Teil wurden sie einzeln beraten, zum Teil in einem kleinen Team oder einer größeren Gruppe. Ein pastoraler Supervisionsprozess kann sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und bis zu zehn Sitzungen umfassen.
In Supervisionen lernen Priester, sich zu behaupten, unangemessenen Erwartungen von Ehrenamtlichen zu begegnen, aber auch, Verantwortung abzugeben. Die Arbeitsflut, die in einer Pfarreiengemeinschaft anfällt, ist laut Roos oft nur dadurch zu bewältigen, dass Priester in den einzelnen Gemeinden Ehrenamtliche haben, die den Pfarrer unterstützen. Im besten Fall regeln diese Freiwilligen ganz selbstständig vieles, wozu der Seelsorger kaum noch kommt.
Supervision bedeutet für Klaus Roos, die Chance zu nutzen, die darin steckt, dass jeder Mensch einen ganz eigenen Blick auf die Welt hat. Auch Roos lässt sich regelmäßig supervidieren und empfindet dies immer wieder als große Bereicherung.
"Andere aus der Supervisionsgruppe, denen ich ein Problem vorstelle, an dem ich schon eine ganze Weile knabbere, stellen mir zu diesem Problem Fragen, auf die ich von selbst noch gar nicht gekommen bin", erläutert er. Jeder zusätzliche Blickwinkel auf ein verwickeltes Problemknäuel hilft beim Aufdröseln desselben. Die Lösung beginnt meist mit dem Ausruf: "Mensch, so hab ich das ja noch nie gesehen!"