Was ist bei einem Pferd anders als bei einer Kuh?
Autor: Sabine Paulus
Kitzingen, Donnerstag, 21. Februar 2013
Kühe, Ochsen und Kälber essen wir, Pferde dürfen bis zum Tod im Stall bleiben. Warum ist das so? Ein Pferdemetzger und eine Amtstierärztin stellen nüchterne Analysen an.
Pferdemetzger Georg Haller ist gelassen. Pferdehack in Ravioli Bolognese-Sauce in der Dose, Fleisch vom Ross in der Tiefkühllasagne - die großen Lebensmitteleinzelhändler rufen Produkte zurück, weil Pferd statt Rind in die Nahrungsmittel der Menschen gelangte. Er hat auch davon in den Nachrichten gehört, fühlt sich aber nicht betroffen. "Ich kann nichts dafür, die Pferde können auch nichts dafür", sagt Haller, auf den Skandal angesprochen.
Als Exot unter den Fleischverarbeitern ist der Pferdemetzger aus dem mittelfränkischen Büchenbach seit Bekanntwerden des Skandals ins Blickfeld der Öffentlichkeit geraten, nachdem er 30 Jahre lang wenig im Fokus gestanden hat. Er sagt, einige Leute seien durch den Pferdefleisch-Betrug erst darauf aufmerksam geworden, dass auch die Reittiere durchaus auf dem Speiseplan von Menschen stehen.
"Eine Frechheit"
"Pferdefleisch ist ja gerade in aller Munde", bemerkt Haller doppelsinnig. Der Etikettenschwindel und Betrug am Verbraucher empört auch den Metzger: "Eine bodenlose Frechheit." In Kitzingen ist Haller kein Unbekannter. Vier Jahre lang hat er ein Mal im Monat seine Spezialitäten vom Ross auf dem Markt abgeboten: 15 bis 16 Sorten Frischwurst, Salami, Leberkäse und vieles mehr, bis sich der ganze Aufwand nicht mehr rentiert hat. Dann orientierte sich der Mittelfranke in Richtung Oberpfalz.
"In der Oberpfalz ist die Rosswurst sehr begehrt. Die Kinder wachsen schon damit auf", berichtet er. Das sei ganz anders als in Franken, wo nur noch die älteren Mitbürger Produkte aus Pferdefleisch von früher kennen würden.
Neugierige Kunden
In die Richtung Pferdemetzger ist Haller gegangen, weil "ich etwas anderes machen wollte als die anderen". Er hat nicht viele Berufskollegen in der Nähe, auch bayernweit gesehen gibt es keine Konkurrenz. Momentan hat er aber ein bisschen mehr Zulauf von Menschen, die wissen wollen, wie Fleisch und Wurst vom Pferd schmecken.
Die Schlachttiere bekommt Georg Haller aus einem Umkreis von 100 Kilometern. Nur als "Lebensmittel lieferndes Tier" gekennzeichnete Pferde dürfen geschlachtet werden. Seit März 2009 müssen die Vierbeiner mit einer individuellen lebenslangen Kennzeichnung versehen werden.
Was bei Rind, Schaf und Ziegen deutlich sichtbar am Ohr baumelt, versteckt sich beim Pferd jedoch diskret unter der Haut als Mikrochip. Pferde mit Chip bekommen einen Pass ausgestellt, in dem eingetragen wird, ob sie ein "Lebensmittel lieferndes Tier" sind. Vor dem Schlachten macht ein Tierarzt eine Lebendbeschau und überprüft die Dokumente. Auch Schlachtpferde dürfen Medikamente bekommen. Die Verabreichung muss - wie bei Rindern und Schweinen - minutiös dokumentiert werden, sogar noch strenger. Der Pass und alle Dokumente müssen vorliegen, bevor die Rösser mit einem Bolzenschuss getötet werden.
Susanne Werner, Tierärztin am Veterinäramt des Landkreises Kitzingen, befasst sich mit den Equidenpässen. Zu den Equiden zählen zum Beispiel Pferde, Esel und deren Kreuzungen.
Werner hat selbst fünf Pferde und reitet leidenschaftlich gerne. Sie weiß, dass der Pferdefleisch-Skandal in Deutschland nicht solche Wellen schlägt, weil den Leuten Pferd für Rind untergejubelt wurde, sondern weil vielen erst bewusst wurde, dass es nicht völlig abwegig ist, die geliebten und verhätschelten Freizeittiere zu verzehren. Reiten ja - aber essen?
Früher wurden laut Werner die meisten Pferde geschlachtet. Das hat sich geändert. Sich von ihrem Liebling im Schlachthof zu trennen, können sich immer weniger Halter vorstellen. Manche wollen sich die Bürokratie mit den auszufüllenden Papieren ersparen. Bei vielen spielen jedoch die Emotionen eine Rolle.
Mangel an Gnadenhöfen
Das hat jedoch zur Konsequenz, dass diese Tierhalter ihr Tier durchfüttern oder gegen entsprechende Bezahlung einen Gnadenhofplatz finden müssen - doch solche Betriebe gibt es (noch) nicht allzu viele. Pferde können bis zu 35 Jahre alt werden.
Ein Fohlen als "Lebensmittel lieferndes Tier" zu kennzeichnen, habe aber Vorteile, sagt Susanne Werner. "Beim Schlachttier kann ich entscheiden, wann es stirbt", nennt sie einen. Werde ein Pferd zum Schlachter gegeben, dann sterbe es nicht sinnlos.
Ein als zukünftiger Fleischlieferant deklariertes Pferd müsse nicht unbedingt in die Hände eines Metzgers gelangen. Den umgekehrten Weg gebe es aber nicht, weist die Amtstierärztin auf einen wichtigen Unterschied hin.
Ein altes Pferd dürfe nicht einfach ohne einen tierschutzrechtlich vernünftigen Grund eingeschläfert werden, sagt Werner. Ein solcher Grund sind zum Beispiel Schmerzen oder eine Krankheit. "Ich rate Haltern zum Schlachttier, solange kein medizinisch relevanter Grund dagegen spricht", sagt die Fachfrau am Veterinäramt.