Vor zehn Jahren: Kitzingen als Genmais-Kampfgebiet
Autor: Frank Weichhan
Kitzingen, Mittwoch, 28. August 2019
Vor zehn Jahren tobte der Kampf um einen gentechnikfreien Landkreis. Kitzingen war deutschlandweit so etwas wie ein Versuchslabor, was heftige Proteste nach sich zog.
Protestmärsche. Schlepperdemos. Am Ende baten sogenannte Feldbefreier zum Nahkampf mit der Polizei. Das Ziel: Gentechnik soll raus aus dem Landkreis Kitzingen. Im Ringen um gentechnikfreie Felder war das Kitzinger Land vor gut einem Jahrzehnt ein deutschlandweiter Hotspot. Geplant waren über 100 Hektar Anbaufläche für Genmais, damit wäre man das größte Anbaugebiet von Genmais in Westdeutschland gewesen. Ein Vorhaben, das auf entschlossenen Widerstand traf. Mit Erfolg: Vor zehn Jahren verbot die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner den Anbau des Genmais Mon810 in Deutschland – auf den Feldern zog wieder Ruhe ein.
Ein Blick zehn Jahre zurück in den Sommer 2009. Die Auseinandersetzungen rund um den Genmais erreichen ihren Höhepunkt. Gentechnisch veränderte Raps-, Weizen- und Kartoffelsorten auf den Feldern im Landkreis – für viele eine Horrorvorstellung. Entsprechend ging es zur Sache. Angeführt wurde der Protest von einem Aktionsbündnis gegen Gentechnik, dem sich auch die meisten Parteien sowie Naturschutz- und Ökoverbände anschlossen.
Auch der Landkreis selber zeigte der Gentechnik die rote Karte. Der Umweltausschuss des Kreistages sprach sich - wenn auch denkbar knapp – mit 7:6 dafür aus, sich "Gentechnikfreier Landkreis Kitzingen" zu nennen. Ohne bindende Wirkung, aber als starkes Zeichen. Oder, um es mit Iphofens Bürgermeister Josef Mend zu sagen: "Wir tun unsere Meinung kund, dass wir Sorgen haben!" Der Chef der Freien Wähler hatte sich mit der SPD und Bündnis 90/Die Grünen zusammengetan, um ein Zeichen zu setzen.
Mahnwachen und Zerstörung
In den Zeitungen tauchten schon seit längerer Zeit regelmäßig Meldungen wie diese auf: "Genmais-Feld komplett zerstört". Gerne wurden Versuchspflanzungen in Düllstadt kaputt gemacht. Dort gab es einen Acker, der eine gewisse Berühmtheit erlangt hatte: Er war der einzige Fleck in Bayern, auf dem – nach dem Verbot für die Sorte MON 810 – legal Genmais angebaut wurde. Die Versuchsanpflanzung im Auftrag des Saatgutkonzerns Monsanto war schon vor Jahren genehmigt worden. Die Aussaat war damals auf scharfe Proteste gestoßen. Immer wieder fanden Mahnwachen an dem Feld statt.
Dass es manche Genmais-Kritiker nicht beim Protest belassen würden, hatte sich schon im Vorjahr gezeigt. Vier Mal musste die Polizei wegen Zerstörungen in Genmais-Anpflanzungen ermitteln. Beispielsweise im Juli in Großlangheim, wo Unbekannte rund zwei Hektar mit einer Motorsense niedermachten. Ähnliches passierte Ende August auch in Westheim, wo mehrere Täter ein Maisfeld verwüsteten.
Die Erstürmung
Die spektakulärste und öffentlich angekündigte Zerstörungsaktion ging Ende Juni 2008 auf das Konto der Feldbefreier der Organisation Gendreck-weg. Damals waren trotz eines Großaufgebots an Polizei morgens um 6.30 Uhr rund 70 Aktivisten aus einem Wäldchen auf ein Genmais-Feld bei Westheim gestürmt. Ergebnis der Aktion: Ein Drittel der Pflanzen war platt, 56 Aktivisten kamen vorübergehend in Gewahrsam. Einige ließen sich vom Acker tragen. Szenen, wie man sie bis dato nur aus dem Fernsehen von den Atomtransporten kannte.
Diese Aktion hatte gerichtliche Nachspiele. Im Verwaltungsgericht Würzburg mussten sich neben den Ökoaktivisten auch Polizei und Landratsamt verantworten. Diese hätten "den Schutz von Genmaisflächen über das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit" gestellt, so der Vorwurf der Gendreck-weg-Front. Eine durchaus interessante Gemengelage also.